Nur nicht aus Liebe weinen
Internatsschülerinnen lud Laine sie in ein Restaurant ein. Laine genoss zwar die schönen Stunden mit ihren Freunden, doch auch der Klubbesuch zu späterer Stunde verbannte die Traurigkeit in ihr nicht.
An ihrem eigentlichen Geburtstag erhielt sie ein kleines Päckchen von ihrem Treuhänder. Ihre Großmutter hatte ihr offenbar ihre wertvolle Perlenkette und ein Buch ihres Lieblingsdichters Tennyson hinterlassen. Sofort schlug Laine die Verse über Lily Maid auf, und ihr wurde schmerzlich bewusst, wie sehr sie ihre Großmutter vermisste.
Überglücklich nahm sie den Rosenstrauß entgegen, den Daniel ihr schicken ließ. Und als sie die daran befestigte kleine Schatulle öffnete, funkelten ihr zwei entzückende Ohrringe wie kleine Blüten entgegen.
„Für meinen Geschmack hat Dan ein bisschen übertrieben. So ein Geschenk macht man einer Frau, nicht einem Mädchen.“ Angela zog ihre Augenbrauen noch ein bisschen höher.
„Du siehst toll aus, Schwesterherz. Anscheinend ist es den meisten entgangen, dass du schon längst erwachsen bist.“ Liebevoll zwinkerte Jamie ihr zu.
„Welch ein Unsinn“, zischte Angela und suchte hastig nach angenehmeren Gesprächsthemen.
Keiner von ihnen hätte an jenem Abend ahnen können, welch unerwartete Wendung Laines Leben einige Tage darauf nehmen würde.
Mit den Folgen kämpfe ich noch heute, dachte Laine und drehte sich auf die andere Seite. Sie brauchte endlich Schlaf und hoffte inständig, der neue Tag würde leichter sein. In ihrem tiefsten Inneren wusste sie es jedoch besser.
Am nächsten Morgen fühlte Laine sich wie erschlagen. Ihre Augen brannten, und ihr Hals war trocken. Es dauerte einen Moment, bis sie wirklich bei sich war und die ungewohnte Umgebung zuordnen konnte. Dank des Jetlags war es noch früh. Da ihr aber eine anstrengende Jobsuche bevorstand, durfte sie keine Zeit verlieren.
Aufgrund ihrer recht begrenzten Garderobe war schnell ein Outfit für den Tag gefunden. Allerdings mussten die Sachen dringend gebügelt werden.
Vorsichtig öffnete sie ihre Zimmertür und schlich auf Zehenspitzen in die Küche. Behutsam nahm sie das Bügelbrett aus dem Wandschrank.
Plötzlich fiel ihr auf, dass Daniels Tür einen Spalt weit offen stand, und sie bemühte sich, möglichst lautlos zu arbeiten.
Laine schluckte, denn ihr war klar, dass Daniels Privatleben sie nichts anging. Aber ihr Köper wollte ihrem Kopf einfach nicht gehorchen. Ohne sich dagegen wehren zu können, schob sie langsam die Tür auf. Das unbenutzte Bett räumte den letzten Zweifel aus. Er war nicht zurückgekehrt …
Einige Stunden später ließ Laine sich zufrieden in einem gemütlichen kleinen Café nieder und gönnte sich ein paar Köstlichkeiten. Sie hatte endlich wieder einen Job. Zwar war ihre neue Chefin, Mrs. Moss, zunächst ein wenig skeptisch gewesen, doch Laine hatte es geschafft, sie von ihren Fähigkeiten zu überzeugen.
„Bitte lassen Sie sich nicht durch mein Alter täuschen. Ich versichere Ihnen, ich habe schon einige Erfahrungen im Bereich der Raumpflege sammeln können.“
„Unser Team bei City Clean braucht dringend Verstärkung. Sie haben Glück. Zunächst werden Sie einen Monat zur Probe arbeiten, und dann sehen wir weiter. Die Uniform und die Ausrüstung stellen wir zur Verfügung. In den nächsten Tagen bringen Sie mir bitte noch zwei Empfehlungsschreiben. All unsere Kunden vertrauen auf erstklassige Arbeit.“
Laine wollte diesen Job unbedingt, auch wenn der Dienstplan für die kommenden Wochen wenig Freizeit verhieß. Aber immerhin würde sie etwas Geld verdienen.
„Denise wird Ihnen alles zeigen, sie ist eine meiner besten Mitarbeiterinnen. Ich verlasse mich auf ihr Urteil. Und Sie sind sich sicher, dass Sie diese anstrengende Arbeit wirklich meistern können?“ Mrs. Moss war der Verband an Laines Knöchel nicht entgangen.
„Keine Sorge, das ist nur eine leichte Verstauchung. Am Montag bin ich auf jeden Fall wieder einsatzbereit.“
Zum ersten Mal seit Tagen fühlte Laine so etwas wie Erleichterung. Auch wenn sie nicht den besten Job auf Erden gefunden hatte, würde das feste Gehalt wenigstens ein bisschen Sicherheit bringen. Der gefürchtete Besuch bei ihrer Bank blieb ihr vorerst erspart.
Am meisten aber befriedigte sie die Gewissheit, Daniel nicht um Hilfe bitten zu müssen. Gut gelaunt entschloss sich Laine zu einem Spaziergang, um die altbekannte Umgebung zu erkunden. Denn nach dem dramatischen Ende ihrer Ehe war London ihr neues Zuhause geworden.
Zu jener
Weitere Kostenlose Bücher