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Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep

Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep

Titel: Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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hatte, lockerte den Schulterriemen ihrer Handtasche und ging die Straße hinunter zu ihrer Wohnung. Es wurde schon dunkel, und ringsum wurden eins nach dem anderen die Lichter eingeschaltet. Es war ruhig auf der Straße, abgesehen von dem ständigen Kommen und Gehen auf dem Supermarkt-Parkplatz. Die meisten Läden hatten schon geschlossen; für das bisschen Nachtleben, das Aviemore zu bieten hatte, war es allerdings noch zu früh.
    Vor ihrer Wohnung angelangt, blieb sie stehen, um ihre Zigarette zu Ende zu rauchen. Die Kippe warf sie auf den Gehsteig und trat sie mit dem Absatz aus. Sie konnte in letzter Zeit nirgends mehr rauchen – Chrissy beschwerte sich, wenn sie sich in der Wohnung eine anzündete, Mrs. Witherspoon würde einen Herzinfarkt kriegen, wenn Alison je auf die Idee käme, im Laden zu rauchen, und Donald… Bei dem Gedanken an Donald verzog sie das Gesicht.
    Wenn sie sich mit Donald traf, wusch sie sich vorher gründlich die Hände und sprühte sich Parfum in die Haare, um den Rauchgeruch zu überdecken. Er behauptete, Tabak mache es unmöglich, die Feinheiten eines Whiskys herauszuschmecken. Sie selbst konnte bei dem ganzen Zeug ja nie einen Unterschied feststellen, ob mit Zigaretten oder ohne. Aber das würde sie ihm natürlich nie ins Gesicht sagen – sie hatte gelernt, zu lächeln und von »dezenten Sherrynoten« und »kraftvollen Abgängen« zu salbadern wie eine Expertin.
    Sie hatte Donald Brodie vor drei Monaten bei einer Party kennen gelernt. Er gehörte nicht zu den Kreisen, in denen sie normalerweise verkehrte, aber an diesem Abend war er mit dem Freund einer Freundin gekommen – um sich mal unters gemeine Volk zu mischen, wie sie vermutete – und hatte seinen ahnungslosen Zuhörern lange Vorträge über die Vorzüge diverser Whiskysorten gehalten. Aber er war anders als die anderen, er sah ziemlich gut aus, und zu ihrer Überraschung hatte sie festgestellt, dass es ihr Spaß machte, ihm zuzuhören. Und als er irgendwann auf sie aufmerksam geworden war, hatte sie sich von ihm abschleppen lassen. Er hatte sie in sein Haus bei der Brennerei gebracht, und dieser Abend hatte Alisons Leben für immer verändert.
    Benvulin House hieß es, so wie die Brennerei. Gebaut hatte es Donalds Ururgroßvater, im schottischen Herrenhaus-Stil, wie er ihr erklärt hatte. Es war einfach fantastisch, mit all dem massiven Stein und dem warmen Holz, den lodernden Kaminfeuern, den kostbaren Teppichen und Vorhängen. So lässt es sich leben, hatte Alison gedacht; und in diesem Augenblick war ihr schlagartig bewusst geworden, dass
sie
auch so leben wollte.
    Und nicht so, dachte sie jetzt, als sie zu der von Feuchtigkeit verfärbten Betonfassade des hässlichen Klotzes aufblickte, in dem sie wohnte. Mit einem Seufzer betrat sie das Gebäude und begann die Stufen zu ihrer Wohnung im dritten Stock hinaufzusteigen. Im Treppenhaus roch es immer nach Urin, und meistens war auch das Licht kaputt. Das machte ihr Sorgen, besonders an den kurzen Wintertagen, wenn Chrissy schon im Dunkeln aus der Schule nach Hause kam; aber bei ihrem Einkommen konnte sie sich nichts Besseres leisten.
    Und es gab auch niemanden, der ihr unter die Arme greifen konnte. Chrissys Vater hatte sich aus dem Staub gemacht, als er erfahren hatte, dass Alison schwanger war, nachdem er zuerst noch behauptete hatte, das Baby sei nicht von ihm. Bis heute war es nicht einmal dem Sozialamt gelungen, ihn ausfindig zu machen. Alisons Mutter lebte von ihrer Rente in einer Zweizimmerwohnung in Carrbridge, und ihr Vater war schon vor Chrissys Geburt an Lungenkrebs gestorben.
    Alisons anfängliche Hoffnung, dass mit Donald alles anders werden würde, schwand zusehends. Er rief immer seltener an, und wenn er es tat, hatte er oft irgendwelche Ausreden parat, weshalb er sich nicht mit Alison treffen konnte. Wie auch an diesem Wochenende – er hatte ihr erzählt, er habe geschäftlich zu tun, dreitägige Verhandlungen mit irgendeinem wichtigen Bonzen vom Kontinent. »Aber klar doch«, sagte sie laut, und ihre Stimme hallte im Treppenhaus wider wie in einer Höhle. Wenn es denn stimmte, was sie sehr bezweifelte, wieso hatte er sie dann nicht dazugebeten? Sie hätte doch Kaffee kochen und dekorativ in der Ecke sitzen können; sie wusste sehr wohl, wann sie den Mund zu halten hatte.
    Aber dann hätte sie auch Chrissy mitnehmen müssen, und Alison nahm an, dass Donald bei seiner wichtigen Besprechung nicht von einer herumtollenden Neunjährigen gestört werden wollte.

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