Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
das Haus verlassen zu können; auch zu nachtschlafender Zeit und in aller Herrgottsfrühe war er schon ohne jede Erklärung verschwunden. Er musste eine Affäre haben. Es gab keine andere Erklärung. Aber mit wem?
Der Stiel einer widerspenstigen Rose knickte in ihrer Hand ab. Louise fluchte, und der plötzliche stechende Schmerz hinter ihren Augen kündigte einen Migräneanfall an. Ihre Lungen fühlten sich beengt an, als ob sie unter Wasser zu atmen versuchte. Sie musste an die frische Luft, sonst würde sie noch ersticken.
Sie stopfte die geknickte Rose in ihre Schürzentasche und stürmte durch die Spülküche hinaus in den Garten, wo sie am Rand des Staudenbeets auf die Knie sank. Gierig sog sie die Luft in ihre Lungen und fixierte die rosafarbenen Glocken des Fingerhuts vor ihren Augen, bis sie allmählich ruhiger wurde. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass man sich auf Pflanzen immer verlassen konnte, im Gegensatz zu Menschen. Wenn irgendwer sie das gelehrt hatte, dann Hazel.
Louise sah sich nach der umgebauten Scheune um, in der Hazel verschwunden war. Sie hatte den Eindruck erweckt, dass sie ganz dringend allein sein musste. Was wusste Louise über diese Frau, die einmal ihre Freundin gewesen war?
Sie dachte an ihr erstes Jahr im Internat zurück. Sie waren beide dort neu gewesen, und beide hatten sie unter traumatischen Veränderungen in ihrem persönlichen Umfeld gelitten. Hazel war eine strahlende dunkle Blüte inmitten einer Wiese voller blasser, blutleerer englischer Pflanzen gewesen, ihre weiche, volltönende schottische Aussprache ein exotischer Kontrast zu den farblosen Vokalen der anderen Mädchen.
Während Louise unter der Scheidung ihrer Eltern gelitten hatte, war Hazel total entwurzelt worden, so radikal von ihrer Heimat und ihrem gewohnten Umfeld getrennt, dass es einer Amputation gleichgekommen war. Hazel hatte überlebt, indem sie sich eine Tarnung zugelegt hatte und englischer als die Engländerinnen geworden war; von Jahr zu Jahr war ihr Akzent immer mehr verblasst.
Aber auch als Hazel unter ihren Mitschülerinnen zunehmend beliebter geworden war, hatte sie Louise nicht vergessen. Und als Louises Mutter dann in diverse transkontinentale Affären hineingeschlittert war und sich immer seltener in England hatte blicken lassen, hatte Hazel ihre Freundin in den Ferien mit nach Hause genommen – nach Newcastle also, in ein düsteres, strenges Vorstadthaus, in dem man sich noch weniger zu Hause gefühlt hatte als im Internat, mit Eltern, so grau und unfreundlich wie der Himmel über Newcastle. Schattenmenschen, so hatte Louise sie genannt, in fremde Erde verpflanzt, wo sie nie Wurzeln geschlagen hatten.
Auch nach der Schule waren die beiden Mädchen Freundinnen geblieben. Hazel hatte an der Universität Psychologie studiert, während Louise eine Stelle bei einer Versicherung angetreten hatte. Und dann hatte Hazel eines Tages Louise angerufen und sie gefragt, ob sie mit ihr nach Schottland kommen wolle, so wie sie jetzt diese neue Freundin Gemma angerufen hatte. Aber Louise hatte noch bis zu ihrem Urlaub im August warten müssen, und in der Zwischenzeit hatte Hazel bereits Donald Brodie kennen gelernt.
Obwohl es keinen Zweifel daran geben konnte, dass die beiden ein Paar waren, hatte auch Louise sich in Donalds Charme sonnen dürfen, und die drei waren mit der Zeit unzertrennlich geworden.
Als Louises Urlaub zu Ende gewesen war, hatte sie ihre Stelle in London einfach per Post gekündigt. Sie und Hazel hatten zusammen für Jagdgesellschaften gekocht, und als mit dem Ende der Saison das Geschäft stark zurückgegangen war, hatten die beiden jungen Frauen Arbeit in einem Café gefunden. Es hatte so ausgesehen, als ob es ewig so weitergehen könnte mit den dreien.
Und dann hatte Donald Hazel einen Heiratsantrag gemacht, und von einem Tag auf den anderen war Hazel aus ihrer beider Leben verschwunden.
Heather Urquhart hatte vorgegeben, sich noch umziehen zu müssen, und so hatte Donald Pascal und Martin zusammen mit Gemma James in seinem Landrover nach Innesfree zurückfahren müssen. Nach Heathers Ansicht hatte Gemma schon während des Besuchs in Benvulin reichlich traute Zweisamkeit mit Donald genossen.
Nicht dass sie es gutgeheißen hätte, dass Donald ihrer Cousine Hazel nachstieg – im Gegenteil; aber was Heather wirklich sauer aufgestoßen war, das war die Art, wie er Gemma beim Besuch der Brennerei den Hof gemacht hatte.
Bei Boat of Garten überquerte sie die Brücke über das
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