Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
breite Speytal, und wenig später hatte sie ihren Bungalow erreicht. Sie drückte auf den Knopf der Fernbedienung, die das schwere Holztor öffnete, und schloss es wieder, als sie den Wagen in der Einfahrt geparkt hatte. Dichte Thujenhecken schützten das Haus zur Straße hin vor neugierigen Blicken, und dahinter erstreckte sich der Garten bis zu einem kleinen, schilfumstandenen See. Das behagliche kleine Häuschen mit seinen weiß verputzten Wänden, den Fensterläden aus Naturholz und dem tiefen, weit überhängenden Ziegeldach war ihr Refugium.
Ihr Job nahm sie sehr in Anspruch und brachte sie in ständigen Kontakt sowohl mit der Belegschaft als auch mit Kunden und Besuchern. Für geschäftliche Einladungen nutzte sie die Räumlichkeiten der Brennerei oder Restaurants in der Umgebung; in ihren privaten Affären hielt sie sich an Männer, die bereit waren, ihr eigenes Bett mit ihr zu teilen. Sie lud niemanden zu sich nach Hause ein, weder Männer noch Frauen.
Jetzt sperrte sie die Tür auf und empfand wie immer ein besonderes Glücksgefühl, als sie über die Schwelle trat. Durch eine geflieste Diele gelangte man in die Küche, von der ein Durchgang in das ganz in Weiß gehaltene Wohnzimmer führte. Die moderne Einrichtung wurde durch keinerlei Bilder oder Nippes gestört. Ein paar große Topfpflanzen lenkten das Auge auf die verglaste Rückwand des Wohnzimmers mit Panoramablick auf den Garten und den See im Hintergrund.
Heather ging schnurstracks in die Küche und schaltete den Wasserkocher ein. Nach dem schweren Mittagessen und dem Whisky würde eine Tasse Tee ihr helfen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Sie musste nachdenken.
Was war es doch für ein merkwürdiges Gefühl gewesen, Hazel wiederzusehen! Wie lange war das jetzt her – zehn Jahre? Das letzte Mal hatten sie sich bei der Beerdigung von Hazels Mutter in Newcastle getroffen. Hazel war mit ihrem frisch angetrauten Ehemann Tim Cavendish angereist, und er hatte sich als eine Art Puffer zwischen den Cousinen bewährt.
Der Wasserkocher schaltete sich mit einem Klicken aus. Heather brühte sich eine Tasse grünen Tee auf und ging damit ins Wohnzimmer. Dort ließ sie sich in ihren Lieblingssessel sinken und schlug die Beine unter. Während sie auf den See hinausblickte, versuchte sie sich Tim Cavendishs Gesicht in Erinnerung zu rufen. Er war ihr ein wenig still und vergeistigt vorgekommen, das genaue Gegenteil von Donald Brodies derber Überschwänglichkeit – als ob Hazel sich bewusst für einen absolut konträren Typ entschieden hätte. Aber wenn Hazel so entschlossen gewesen war, Donald Brodie aus ihrem Leben zu löschen, wieso war sie dann nach all den Jahren zurückgekommen?
Heather konnte durchaus verstehen, was die Frauen an Donald fanden – sie war ja auch nicht immer gänzlich immun gegen seinen Charme gewesen –, doch sie war viel zu ehrgeizig, als dass sie sich gestattet hätte, sich in ihn zu verlieben.
Die eigentliche Frage aber, der Heather sich widmen musste, war diese: Was bedeutete Hazels Rückkehr für Benvulin? Falls Hazel beschließen sollte zu bleiben, würde Heather sie dann für ihre Vision von der Zukunft der Brennerei gewinnen können? Benvulin war immer noch eine Aktiengesellschaft, in der Donald die Mehrheit der Anteile hielt, doch wenn es Heather gelänge, ihn zum Verkauf an das französische Konsortium zu überreden, würde das ihre eigene Position stärken. Sollte sie versuchen, Hazel auf ihre Seite zu ziehen, sie zu ihrer Verbündeten zu machen?
Nein. Sie stellte die Tasse so heftig ab, dass es schepperte. Sie hatte nicht deshalb so hart für diese Sache gearbeitet, um sich jetzt von anderen abhängig zu machen, und das Letzte, was sie wollte, war, in der Schuld ihrer Cousine zu stehen. Es wäre entschieden besser für alle Beteiligten, wenn Hazel dazu bewegt werden könnte, nach London zurückzukehren, und Heather war entschlossen, dafür zu sorgen, dass es so kam – mit welchen Mitteln auch immer.
So viel Zeit er sich mit seinen Gästen auf Benvulin gelassen hatte, so schnell fertigte Donald sie nun ab, als er sie in der kiesbedeckten Einfahrt von Innesfree ablud.
»Ich habe noch in der Brennerei zu tun«, rief er durch das offene Wagenfenster. »Am Wochenende arbeiten wir nur mit einer Rumpfbelegschaft. Aber zum Aperitif bin ich wieder da, und dann will ich die Früchte unserer Bemühungen kosten«, fügte er hinzu, ehe er ihnen noch einmal zuwinkte und davonbrauste.
Und betrachtete er Hazel etwa als die
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