Nur wenn du mir vertraust - Crombie, D: Nur wenn du mir vertraust - Now May You Weep
als ich gerade die Polizei anrufen wollte.«
»Aha. Und Sie sagten ihr, wo Sie Mr. Brodie gefunden hatten?«
»Nein – ich – ich sagte, ich hätte Donald auf der Wiese gefunden. Und dass er tot sei.«
»Und dann sind Sie mit ihr hingegangen, um ihr die Leiche zu zeigen?« Ross ließ ein wenig Missbilligung in seinen Tonfall einfließen.
»Nein! Natürlich nicht«, erwiderte sie mit einem leisen Anflug von Entrüstung. »Sie ist einfach losgerannt – ehe ich sie aufhalten konnte, hatte sie ihn schon gesehen.«
»Dann müssen Sie ihr gesagt haben, um welche Wiese es sich handelte«, unterstellte Ross ihr mit bestechender Logik.
»Nein. Es war eine nahe liegende Vermutung. Jeder nimmt diesen Weg.«
»Wie lange sind Sie schon hier, Miss James?« Ross ordnete gemächlich seine Unterlagen.
»Zwei Tage.« Sie presste die Lippen zusammen, als wollte sie sich nicht weiter in diese Richtung drängen lassen. Er konnte ihren Akzent jetzt deutlicher ausmachen – definitiv London, aber weder Cockney-Slang noch vornehmes Oberschicht-Englisch.
»In zwei Tagen haben Sie sich schon mit den Gewohnheiten sämtlicher Anwohner vertraut gemacht?«, fragte er mit einer ausgewogenen Mischung aus Bewunderung und leiser Skepsis.
»Nein.« Diesmal war es nicht zu übersehen, wie sie errötete. »Aber ich halte Augen und Ohren offen, Chief Inspector, und es war wie gesagt offensichtlich, welcher Weg gemeint war.«
Ross dachte einen Moment über das nach, was sie ihm gesagt – und was sie ihm verschwiegen hatte. »Um noch einmal auf Ihre Freundin zurückzukommen – war es nicht reichlich früh, um einen Ausflug mit dem Wagen zu machen?«
Zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs veränderte Gemma James ihre Sitzhaltung. »Ich weiß nicht. Da müssen Sie sie schon selbst fragen.«
Das war die unkooperativste Antwort, die sie bisher gegeben hatte, und Ross hatte das deutliche Gefühl, dass sie nicht nur die Frage gefürchtet, sondern auch die Antwort vorher einstudiert hatte. Hier roch eindeutig irgendetwas faul, und es waren nicht etwa die Fische an der Wand. Und Hazel Cavendish hatte sich übergeben – unter den Umständen keine sehr überraschende Reaktion, aber steckte vielleicht doch mehr dahinter als der Schock über den unerwarteten und gewaltsamen Tod eines Mitmenschen?
»Sie sagten, Sie und Ihre Freundin seien hier, um an einem Wochenend-Kochkurs teilzunehmen. Hatten Mrs. Cavendish und Mr. Brodie sich vorher schon gekannt?«
»Ja, Hazel kannte ihn, und auch Louise Innes – die beiden sind zusammen zur Schule gegangen. Und Heather Urquhart ist ihre Cousine.«
Eine traute Runde, dachte Ross. Das wollte ihm überhaupt nicht gefallen. »Welcher Art war die Beziehung von Mrs. Cavendish und Mr. Brodie?«
»Ich glaube, sie waren alte Freunde.« Der Blick, mit dem Gemma James ihn ansah, war von so entwaffnender Offenheit, dass er befürchten musste, ihr auf diese Weise nichts mehr entlocken zu können. Also änderte er die Taktik.
»Erzählen Sie mir etwas über die anderen«, sagte Ross, indem er sich in seinem Stuhl zurücklehnte. »Und wie sie zu Mr. Brodie standen.«
»Also, da wären zunächst die Innesens, denen diese Pension gehört. John kocht, und Louise macht den Haushalt und kümmert sich um den Garten. Ich glaube, sie sind vor zwei Jahren aus Edinburgh hierher gezogen, und, hm… ich denke, sie haben die Freundschaft mit Donald Brodie vielleicht wegen seiner Kontakte gepflegt.« Bei dieser letzten Bemerkung schien ihr nicht ganz wohl zu sein, als ob sie das Gefühl hätte, etwas Illoyales gesagt zu haben.
»Und dann wäre da Martin Gilmore. Er ist John Innes’ Halbbruder, und er interessiert sich ganz einfach fürs Kochen. Ich glaube nicht, dass er Donald Brodie vor diesem Wochenende schon einmal begegnet ist.
Pascal Benoit, der Franzose, hatte irgendwelche Geschäftsbeziehungen mit Mr. Brodie, aber ich kann mich nicht erinnern, dass er je gesagt hätte, worum es sich dabei genau handelte. Und Heather Urquhart, Hazels Cousine, ist Geschäftsführerin von Benvulin, also hat sie Donald Brodie vermutlich besser gekannt als alle anderen. Ich glaube, sein Tod hat sie sehr mitgenommen.«
»Danke. Sie haben mir sehr geholfen.« Ross hörte, wie Munro sich hinter seinem Rücken regte, als ob er sich anschickte, sein Notizbuch zuzuklappen. Er machte eine abwehrende Handbewegung und richtete seine ganze Aufmerksamkeit wieder auf Gemma. Ganz bewusst redete er sie zum ersten Mal mit ihrem Dienstgrad an, wie um an
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