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Nur zu deinem Schutz (German Edition)

Nur zu deinem Schutz (German Edition)

Titel: Nur zu deinem Schutz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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überrascht, dass man Ema hier unter ihrem Spitznamen kannte. Wieder so eine Ironie. Ganz offensichtlich mochte Ema den Namen, den ihr diese Dumpfbacke Troy Taylor verpasst hatte.
    Wir fanden Agent in einem der hinteren Räume. An den Wänden hingen Poster von verschiedenen meditierenden Hindu-Gottheiten, in allen Ecken brannten Räucherstäbchen, deren Qualm mir die Tränen in die Augen trieb, und aus unsichtbaren Boxen plätscherte eine leise Melodie, zu der eine Frauenstimme immer wieder die Wörter »So Ham« wiederholte. Wahrscheinlich so eine Art Mantra.
    Agent hatte soeben ein riesiges Rücken-Tattoo fertiggestellt – einen Adler, dessen ausgebreitete Flügel von einer Schulter zur anderen reichten –, das sein Kunde sich jetzt mithilfe zweier Spiegel ansah, als würde er auf einem Frisörstuhl sitzen und seinen neuen Haarschnitt bewundern.
    »Tolle Arbeit, Agent, echt«, sagte der Mann.
    Agent legte die Hände wie zum Gebet zusammen. »Zwei Wochen jeden Kontakt mit Wasser vermeiden und regelmäßig eincremen. Aber du kennst das Prozedere ja.«
    »Na klar, Agent.«
    »Sehr schön.« Als der Tätowierer uns entdeckte, fing er an zu strahlen. »Ema!«
    Die beiden umarmten sich. »Agent, das ist mein Freund Mickey.«
    Agent schüttelte mir die Hand. Sein Händedruck war kräftig und seine Handfläche fühlte sich schwielig an. Er trug die langen roten Haare zum Zopf gebunden und auch sein langer Bart wurde von einem Haargummi zusammengehalten. Natürlich war auch er extrem gepierct und mit Tattoos übersät. »Supernett, dich kennenzulernen, Mickey«, sagte er.
    »Freut mich auch«, erwiderte ich, obwohl ich seine Art ein bisschen zu überschwänglich fand.
    Er wandte sich wieder an Ema. »Hast du ein Foto von dem Tattoo dabei?«
    Ema nickte. Dank der fantastischen Qualität des Videos hatte Ema eine einwandfreie Großaufnahme davon ausdrucken können. Sie reichte Agent das Blatt, der es sich gerade mal zwei Sekunden lang anschaute und dann »Eduardo« sagte.
    »Was?«
    »Das ist definitiv Eduardos Arbeit. Er hat ein Studio in Newark. Soll ich ihn anrufen und fragen, für welchen Kunden er es gemacht hat?«
    »Und das würde er dir einfach so sagen?«, fragte ich.
    Agent lächelte. »Na klar. Wir sind keine Ärzte und auch keine Anwälte, Mickey. Es existiert keine Schweigepflicht zwischen Tätowierer und Kunde. Nur Vertrauen. Es gibt einen Grund, warum du hier bist, Mickey. Der Strom zum Universum folgt einem vorgeschriebenen Pfad.«
    Oh-kay, dachte ich.
    »Auch Ema ist aus einem bestimmten Grund in diesen Laden gekommen. Sie hat mich gebeten, sie zu tätowieren, und das hat wiederum dazu geführt, dass du jetzt hier bist. Verstehst du?«
    Kein Wort , dachte ich, aber laut sagte ich: »Sicher.«
    »Außerdem hat Ema einen reinen, unschuldigen Geist, ein wunderschönes Herz-Chakra. Wenn Ema also sagt, dass du diesen Mann finden musst, musst du diesen Mann finden. So einfach ist das.«
    Ema wurde rot. »Danke, Agent.«
    Er zwinkerte ihr zu. Wieder fragte ich mich, woher sie sich kannten und wie es kam, dass sie in ihrem Alter so viele Tattoos hatte, aber hey, ich hatte schließlich auch meine Geheimnisse.
    »Bitte wartet hier, während ich Eduardo anrufe«, bat Agent uns.
    Wir nickten. Im Hintergrund sang die Frauenstimme unermüdlich ihr »So Ham«. Allmählich wurde es ein bisschen nervig. Ich schaute aus dem Fenster, wo Löffel immer noch im Wagen saß und auf uns wartete. »Vielleicht hätten wir für unseren braven Wachhund das Fenster einen Spalt offen lassen sollen«, sagte Ema.
    Ich lächelte. In einem anderen Teil des Raums bekam ein Mann gerade sein Handgelenk tätowiert. Die Nadel stach rhythmisch in seine Haut, was ziemlich wehtun musste. Er kniff zwar die Augen zusammen, aber es quollen trotzdem Tränen unter den Lidern hervor. Ich musste an Ashley mit ihren immer adretten Röcken und Söckchen denken und fragte mich, wie ich auf der Suche nach einer höheren Tochter bei einem New-Age-Tätowierer namens Agent hatte landen können.
    Noch mehr Ironie des Schicksals?
    »Alles geklärt«, flötete Agent, als er zurückkam, und reichte Ema mit schwungvoller Geste einen Zettel, auf dem der Name Antoine LeMaire und eine Adresse in Newark standen.
    »Vielen Dank, Agent«, sagte Ema.
    »Ja, echt nett von dir«, schloss ich mich ihr an. »Danke.«
    »Ich würde euch ja auf eurer Suche begleiten«, meinte Agent, »aber ich habe noch einen anderen Termin.«
    »Arbeit?«, fragte Ema.
    Agent schüttelte den Kopf.

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