Nur zu deinem Schutz (German Edition)
Basketballmannschaft zu werden.«
12
NACH DER SCHULE gingen Löffel, Ema und ich bei mir zu Hause vorbei, um den Wagen zu holen. Ich nahm die Schlüssel für den Ford Taurus vom Küchentisch und wir fuhren gleich los. Unterwegs dachte ich daran zurück, wie mein Vater mir in einer alten Schrottkiste mit Gangschaltung in Südafrika das Fahren beigebracht hatte. Mir war ständig der Motor abgesoffen, und Dad hatte immer wieder lachend gesagt: »Lass die Kupplung ganz langsam kommen, Mickey. Mit viel Gefühl.« Dabei wusste ich damals noch nicht einmal, was eine Kupplung überhaupt war. Ich war gerade vierzehn geworden. In jedem Land, in dem wir lebten, benutzten wir falsche Namen und die entsprechenden Pässe. Der, der jetzt in meiner Tasche steckte, war auf den Namen Robert Johnson ausgestellt. Dad sagte immer, dass es das Beste wäre, ganz normale Durchschnittsnamen zu benutzen, wenn man mit einem gefälschten Pass unterwegs war, weil die Leute sie sich nicht so leicht merken konnten und im Zweifelsfall – wenn sie ihn in eine Datenbank eingaben – Hunderte von Einträgen fanden. Robert Johnson war einundzwanzig, also ganze sechs Jahre älter als ich. Obwohl ich nicht wie ein Einundzwanzigjähriger aussehe, komme ich dank meiner Größe meistens damit durch.
Unsere Pässe waren so perfekt gefälscht, dass sie von echten praktisch nicht zu unterscheiden waren. Wenn ich meinen Vater gefragt hatte, warum wir sie brauchten, hatte er immer ziemlich vage geantwortet. »Es hat etwas mit unserer Arbeit zu tun«, hatte er einmal gesagt. »Wir machen uns damit auch Feinde.«
»Aber wir helfen den Menschen doch«, gab ich erstaunt zurück.
»Ja, das tun wir.«
»Wie können wir uns da Feinde machen?«
»Wenn man jemanden rettet, rettet man ihn oft vor jemand anderem.« Dad wandte den Blick ab und biss sich auf die Unterlippe. »Und wenn man Gutes tut, dann häufig, weil andere Böses tun. Verstehst du, was ich meine?«
»Ja.«
»Und die, die Böses tun«, fuhr Dad fort, »haben keine Skrupel, jemandem zu schaden, der ihre Pläne durchkreuzt.«
Was für eine Ironie des Schicksals. Als Mitarbeiter einer humanitären Hilfsorganisation hatte er es mit Regierungsbeamten in Diktaturen aufgenommen und in den gefährlichsten Kriegsgebieten der Welt immer wieder sein Leben riskiert. Und ausgerechnet als er dann schließlich in die relative Sicherheit der Vereinigten Staaten zurückkehrte, war er bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Wir waren gerade zu einem Basketballspiel von mir unterwegs gewesen.
Wie soll man da nicht eine Mordswut im Bauch haben.
Ich dachte wieder an das, was die Hexe gesagt hatte. Dass mein Vater noch lebte. Vielleicht war das der Grund, aus dem ich das alles tat – nach Ashley suchen, dem Glatzkopf aus der schwarzen Limousine auf die Spur kommen, herausfinden, was es mit der Hexe auf sich hatte. Vielleicht tat ich das alles nur, weil es eine Eins-zu-einer-Million-Chance gab, dass das, was sie gesagt hatte, tatsächlich wahr war.
»Da vorne müssen wir rechts rein«, riss Ema mich aus meinen Gedanken. »Das Studio liegt auf der Route 46.«
Als wir vor dem Laden hielten, kicherte Löffel.
»Warum lachst du?«, fragte Ema.
»Na, wegen dem Namen«, sagte er.
»Was ist damit?«
»›Tattoos While U Wait‹«, sagte Löffel. »Welcher Schlaumeier hat sich denn das einfallen lassen? Wie soll man es sonst machen? Sich den Arm abreißen, auf den Tresen legen und sagen: ›Hier, ich hätte gern eine Schlange auf den Oberarm tätowiert. Kann ich ihn morgen wieder abholen?‹ Natürlich muss man warten, während man das Tattoo bekommt.« Er schüttelte prustend den Kopf.
Ema sah mich an. »Er bleibt im Wagen.«
Ich nickte, und Löffel erklärte sich bereit, unser »Wachhund« zu sein.
Das Erste, was mir auffiel, als wir das Studio betraten, war die hygienische Sauberkeit. Ich hatte mir einen schmuddeligen, völlig heruntergerockten Laden vorgestellt, aber die Räume wirkten steriler als jede Arztpraxis. Die Leute, die dort arbeiteten, und die, die sich tätowieren ließen, sahen allerdings genau so aus, wie ich sie mir ausgemalt hatte. Alle trugen abgewetzte Jeans und enge schwarze T-Shirts und waren mit Piercings und Tätowierungen übersät. Das Studio hätte ein Festsaal sein können, in dem Emas Familientreffen stattfand.
»Hey, Ema«, rief die Frau am Empfang – eine typische Bikerbraut –, als wir reinkamen. Die beiden schlugen zur Begrüßung die Fäuste aneinander. Ich war
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