Nybbas Nächte
und die anderen starteten in wenigen Minuten und würden unbemerkt bis vor die Tore der Feste gelangen. Perfekt. Tomte musste nur noch öffnen.
Elias versuchte zum dritten Mal, Nicholas anzurufen. Wenn Joana ganz genau hinhörte, vernahm sie das Freizeichen. Shit, warum nahm niemand ab? Vermutlich war Nicholas schon in den Bau gegangen. Ihr Magen hob sich bei der Vorstellung und sie schluckte heftig gegen das Gefühl an, sich übergeben zu müssen.
„Geh nicht rein“, murmelte sie vor sich hin. „Dreh um, es ist eine Falle.“
„Keine Chance.“ Mit einem Scheppern warf Elias das Handy auf den Tisch. „Wir müssen hin.“
Joana stöhnte getroffen. „Du musst, Elias. Ich kann nicht mitkommen, das ist zu gefährlich. Wenn ich wieder einen Anfall bekomme, greife ich euch womöglich an.“
„Mit dir werde ich schon fertig, Mädel. Ich muss dich mitnehmen, Nicholas röstet mich am Spieß, wenn ich dich allein lasse.“ Er lief in den Flur, zerrte Joanas Mantel so ruppig von der Garderobe, dass der Aufhänger abriss, und warf ihn ihr zu. „Außerdem …“, eine feine Röte färbte seine Ohren, „war ich noch nie dort und mein Orientierungssinn ist eine Katastrophe. Gut Auto fahren kann ich auch nicht.“
Das waren Argumente. Andererseits war Joana nach ihrem Unfall nicht mehr selbst gefahren. Nicht, weil es sich nicht ergeben hatte, sondern weil ihr die Angst im Nacken saß. Zu allem Überfluss war das einzige noch verfügbare Gefährt Tomtes schrottreifer Golf.
Vorsichtshalber nahm sie einen Zug von ihrem Asthmaspray und redete sich mit Nicholas Worten Mut ein. Du musst jetzt stärker sein als deine Angst. Du darfst dich nicht unterkriegen lassen. Entschlossen griff sie nach Tomtes Schlüsselbund, den dieser dankenswerterweise auf dem Tisch zurückgelassen hatte. „Dann los.“
Sie konnte nur hoffen, dass die Kiste ihnen nicht unterm Allerwertesten wegrostete, bevor sie angekommen waren.
Der geliehene Jeep war nahe dem Höhleneingang in einem Gebüsch verborgen und mit Zweigen getarnt. Rut sollte nicht mit in den Fuchsbau kommen, sondern in der Nähe des Wagens in einem sicheren Versteck warten. Die Frau war alt und gebrechlich und hatte den Halbdämonen nichts entgegenzusetzen. Sie würdensie töten, noch bevor sie in Choskeihs Nähe käme, daher hatte Nicholas beschlossen, dass die Clerica beim Auto warten, und Choskeih bannen sollte, falls dieser seine Menschengestalt verließ und zum Dämon wurde. Rut würde dies spüren und könnte dann agieren. Zu allem bereit blieb sie mit dem Banngefäß bewaffnet zurück.
Nicholas und Sunna trafen Tomte beim Eingang. Tomte verströmte die typischen Gefühle junger Männer, die in eine erste Schlacht zogen und noch nicht wussten, dass auch Sieger das Feld selten als strahlende Helden verließen. Sunna dagegen ließ Nicholas die grimmige Entschlossenheit spüren, die sie hinter ihrem Mädchengesicht verbarg.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg ins Innere des Berges. Ein misstrauisch schauender Mann kam ihnen entgegen und bellte Tomte etwas zu, das wie ein Befehl klang, doch Tomte rollte nur mit den Augen und wies ihn barsch ab. Als sie um die nächste Ecke gebogen waren, sprach Tomte Nicholas an, ohne den Blick zu heben.
„Wir können davon ausgehen, erwartet zu werden. Ich habe behauptet, dass ihr einen Termin habt, aber der Typ wird das abklären, fürchte ich.“
„Nicht zu ändern.“ Nicholas war es egal, solange er Demjan nur rasch vor die Fäuste bekam. Altvertraut schmiegte sich seine 10-mm-Glock unter dem Hosenbund gegen seinen Bauch. Ein gutes Gefühl, aber nicht gut genug, um Zweifel vollends darunter zu verbergen.
Seltsam. Je eher man bereit war, für eine Sache zu sterben, desto weniger wollte man es.
24
D
ie traten ihnen zu fünft entgegen. Zwei Männer und drei Füchse. Sie waren nervös. Spannung schwappte in Wellen durch den Raum.
„Nichtangemeldet, nichtwillkommen“, kläffte einer der Männer ihnen entgegen.
Sein Akzent war so stark, dass Nicholas zuerst kaum erkannte, dass der Halbdämon Deutsch sprach. Ein deutliches Zeichen, dass Tomte nun nicht mehr Vermittler war, sondern mit Misstrauen betrachtet wurde. Nicholas trat einen Schritt vor.
„Wir verlangen ein Gespräch mit Choskeih.“
Tomte versuchte es seinerseits mit einer Erklärung, doch der Mann, der gesprochen hatte, zog von ihren Worten unbeeindruckt eine Pistole und schoss. Offenbar hoffte er auf das Überraschungsmoment, doch Nicholas hatte das feine Surren der
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