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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Leggings und ihrer Toter-Pudel-Perücke. Ich dachte an mein Abe-Gemälde, auf das sein eigenes Haar aufgeklebt war. Ich dachte
     an Vulcanus, den Eisenmann, der der halben Stadt sein nacktes Hinterteil zeigte. Gott, ich liebte diese Gegend.
    »Ich habe ein Abe-Gemälde geschenkt bekommen«, erzählte ich Frances und beschrieb es ihr.
    »Das ist ja wundervoll! Ich habe einen Tolliver und einen Clark und einen Leota-Wood-Quilt.«
    »Ich bin begeistert von ihren Quilts, aber sie kosten ein Vermögen.« Mir kam ein Gedanke. »Frances, die Künstler, die es so
     weit gebracht haben, sind vermutlich bald offiziell anerkannt, oder?«
    »Nein, Sie werden für die akademischen Kreise immer Dilettanten bleiben, auch wenn sie mit ihren Werken viel Geld machen.«
    Irgendwie war das eine verkehrte Welt.
    »Mensch, hier seid ihr!« Wir blickten zu Mrs.   Santa Claus hinauf. »Dachte, du wärst nur zufällig hier im Rosedale Center, Frances.«
    Frances grinste. »Ich wollte mir das nicht entgehen lassen.«
    Mary Alice setzte sich und zog sich den plattgefahrenen Pudel vom Kopf. »Patricia Anne, ich muß dich um einen Gefallen |169| bitten. Kannst du heute nachmittag eine Zeitlang Mrs.   Santa spielen, damit ich nach Bubba sehen kann? Ich habe ihm versprochen, nach dem Mittagessen zu kommen.«
    Bubba ist der riesige Kater meiner Schwester, der über keinerlei nennenswerte Charakterzüge verfügt, wenn man mal von Heimtücke
     und Faulheit absieht. Aber sie liebt ihn.
    »Nein, ich spiele nicht Mrs.   Santa. Was fehlt Bubba denn?«
    »Schwallartiges Erbrechen.« Mary Alices Arme schossen über unseren Hühnersalat, um uns das Ausmaß von Bubbas eruptionsartigen
     Spuckanfällen zu verdeutlichen.
    »Zweimal«, verkündete sie und wiederholte die Geste. Frances und ich zuckten beide zurück. »Ich wollte eine von den Putzfeen
     als Vertretung für mich engagieren, aber sie arbeiten samstags nicht. Und dann habe ich dich angerufen, und du warst nicht
     da, und dann habe ich Debbie angerufen, und die war auch nicht da.«
    »Ist er wirklich krank?«
    Die Arme schossen wieder quer über den Tisch. »Zweimal.«
    »Okay«, willigte ich widerstrebend ein.
    »Oh, laß mich das übernehmen. Ich würde furchtbar gern mal Mrs.   Claus sein«, schaltete Frances sich ein.
    Wir drehten uns beide zu ihr um und sahen sie an, als habe sie den Verstand verloren. »Ich meine es ernst«, sagte sie, breit
     grinsend. »Ich denke, das würde mir großen Spaß machen.«
    »Die Kinder pinkeln einen gelegentlich an«, bemerkte Mary Alice mit Blick auf Frances’ elegantes Outfit.
    »Ich habe eine Nylon-Windjacke im Auto. Die zieh’ ich mir einfach über.«
    »Und auf deiner Brust muß ›Mrs.   Santa Claus‹ aufblinken.« »Ja, das ist das Beste dran!«
    Mary Alice blickte mich an. Ich zuckte nur die Achseln.
    »Ich geh’ eben die Windjacke holen«, erklärte Frances, schob ihren Stuhl zurück und eilte nach draußen.
    |170| »Was ist denn mit der los?« fragte Mary Alice, während sie ihr nachblickte.
    »Das übersteigt mein Fassungsvermögen«, sagte ich. »Aber wer weiß schon, was für geheime Sehnsüchte in den Herzen der Menschen
     schlummern?«
    Als wir das Einkaufszentrum verließen, leuchtete Frances’ Gesicht mit den Lämpchen an ihrem Gewand um die Wette. Selbst die
     Pudel-Perücke machte sich auf ihrem Kopf ganz passabel. Ich sah Santa Claus anerkennend zu ihr herüberschauen. Schwesterherz
     sah es auch.
    »Ich bin bald wieder zurück«, versprach Mary Alice.
    »Laß dir Zeit«, antworteten Mr. und Mrs.   Santa Claus.
    »War das nicht nett von Frances?« fragte ich, als wir uns durch die Menge der Weihnachtseinkäufer schoben. »Bill schien sehr
     erfreut.« Ich wich schnell zur Seite. Ein argloser Einkaufender bekam einen kräftigen Tritt ab, da bin ich mir sicher.
    Ich hatte Schwesterherz versprochen, ihr nach Hause zu folgen. Falls Bubba zum Tierarzt müßte, hatte sie mich informiert,
     würde ich fahren müssen, während sie ihn festhielt; aber wenn es irgendwo da oben einen gütigen Gott gab, dann war das Problem
     harmloser Natur und sie würde keine Fahrt mit mir am Steuer durchstehen müssen. Vertrauensvoll teilte sie mir mit, daß sie
     leidenschaftlich bete, es möge nur ein Knäuel verschluckter Haare dahinterstecken.
    Mary Alices Haus liegt oben auf dem Rücken des Red Mountain. Es ist ein schöner alter Bau im Tudorstil und wurde vom Großvater
     ihres dritten Ehemannes errichtet, der mit Stahl ein Vermögen gemacht hatte.

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