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Oben ohne

Oben ohne

Titel: Oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Heeg
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haben Fragen an mich und so weiter.
    Ich kann es drehen und wenden, wie ich will: Es ist nicht optimal, und mir geht es definitiv nicht gut damit. Von daher sollte ich den Antrag einfach abgeben.

    Wir biegen ein auf den Schulparkplatz, heute Morgen hat alles prima geklappt, wir sind früh dran. Das ist super, denn das bedeutet freien Zugang zum Kopierer sowie Zeit, das eine oder andere zu regeln. Und für mich heute konkret die Zeit, meinen Versetzungsantrag abzugeben. Der Chef sitzt ebenfalls schon in seinem Büro. Ich reiche ihm die Formulare, und er nickt mir kurz zu. Natürlich kennt er die Zwickmühle, in der ich mich befinde. Wir haben bereits darüber gesprochen. Trotzdem bin ich sehr froh, dass ich ohne schlechtes Gefühl die Papiere bei ihm abgeben kann. Im vergangenen Jahr, nachdem ich den Antrag zum ersten Mal gestellt hatte, habe ich keinerlei Konsequenzen zu spüren bekommen. Dass das nicht selbstverständlich ist, kann man sich denken. Aber mein Chef lässt mich auch weiterhin auf Fortbildungen gehen, bezieht mich in die Schulentwicklung mit ein – und das, obwohl dabei Unterricht ausfällt und immer die Gefahr besteht, dass er für seine Schule letztlich gar keinen großen Nutzen hat, weil ich schon im nächsten Schuljahr auf Nimmerwiedersehen weg bin. Tja, eben so ein guter Chef, dass man eigentlich nicht weg will.
    Nachdem ich sein Zimmer verlassen habe, fallen mir schon wieder tausend Dinge ein, die jetzt noch vor Schulbeginn erledigt werden müssen. Ich hetze weiter und vergesse den Antrag augenblicklich. Es wird ja sowieso nichts bringen.

DER DRUCK STEIGT
    August 2004

    Ein neuer Vorsorgetermin steht an. Meine Freundin Meike will mich unbedingt begleiten. Wir haben Sommerferien, sie ist auch Lehrerin, und wir kennen uns noch aus gemeinsamen Studientagen. Mir ist es von Anfang an nicht recht, aber Meike lässt sich davon nicht beeindrucken. Und ich bin nicht klar genug, lehne ihr Angebot nicht deutlich genug ab. Bei mir ist es aber auch der Gedanke: Ist ja eigentlich schön, dass ich so tolle Freundinnen habe. Das kann ich doch jetzt nicht zurückweisen. Wir haben während des Studiums viele gemeinsame Probleme im Chemielabor gelöst, haben viel zusammen gelacht, viel unternommen. Sie ist lange Jahre eine richtig enge Freundin gewesen. Warum also nicht auch den Vorsorgetermin mit ihrer Unterstützung? Trotzdem – es bleibt ein Unbehagen zurück. Und es gibt tatsächlich einen Reinfall: In Köln verhält sie sich wie eine besorgte Mutter, was ich völlig daneben finde. Während der Untersuchungen ist sie nervös und angespannt, was mir unangenehm ist, weil ich es ebenfalls völlig übertrieben finde. Ich lebe mit dem sicheren Gefühl, dass noch nichts ist, und lasse die Untersuchungen entsprechend ungerührt über mich ergehen.
    In den Wartezeiten zwischen den Terminen fällt es mir wahnsinnig schwer, mit Meike zu reden. Die Gespräche kommen mir oberflächlich vor und haben einen gekünstelten Ton. Ich würde lieber schweigen, aber schaffe es nicht, das jetzt hier mit ihr anzusprechen. So quäle ich mich mit ihr über die Zeit.
    Nachdem ich alle Untersuchungen hinter mich gebracht habe, fahren wir zurück in die Stadt. Ich wäre lieber gelaufen, aber das ist mit Meike nicht drin, dazu ist sie zu schlecht zu Fuß. Dafür startet sie zur üblichen Stadtbesichtigung durch. Für Meike ist jetzt alles rum. Die Ultraschalluntersuchung ergab keinerlei Auffälligkeiten, der erste Blick des Arztes auf die Kernspinbilder versprach auch nur Gutes. Bei mir stellt sich dagegen kein Gefühl der Erleichterung ein. Die Kernspindiagnose hat den Nachteil, dass man einen Tumor mit endgültiger Sicherheit erst in zwei Wochen ausschließen kann. Die Auswertung nimmt viel Zeit in Anspruch. Ich werde also noch Post bekommen. Klar, höchstwahrscheinlich ist alles in Ordnung. Aber: Selbst wenn jetzt nichts ist, wie geht es weiter? Ich trotte hinter Meike her und will eigentlich nur meine Ruhe. Als sie ins Museum am Dom möchte, kommt mir das gerade recht. Ich lasse sie ziehen, und wir verabreden uns zwei Stunden später wieder. Ich kann jetzt bestimmt keine Bilder, Daten oder Fakten aufnehmen. Ich will einfach nur rumlaufen, mich treiben lassen und zu mir kommen. Seltsamerweise fühle ich mich dann auch einsam. Das ist widersprüchlich. Es sind Menschen da, ich lehne sie ab und fühle mich gleichzeitig einsam. Erst viel später wird mit klar: Das sind die Momente, in denen mir meine Mutter richtig fehlt. Und schließen

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