Obsession
ansonsten wusste Ben nicht, wie der Mann aussah. Die
Sache mit den Ersatzteilen war Keiths Idee gewesen, um einen Vorwand zu haben, über den Hof zu gehen, bis sie ihn gefunden
hatten.
«Sollen wir?», fragte Keith.
Ben startete den Wagen und fuhr durch das Tor. Als sie drinnen waren, merkten sie, dass der Hof wesentlich größer war, als
er von außen gewirkt hatte. Sie fuhren einen langen Weg zwischen aufgestapelten Autowracks hindurch. Er führte zu einem zweistöckigen
Backsteingebäude mit einem steilen Wellblechdach. Auf dem freien Platz davor standen zwei offenbar noch straßentaugliche Wagen.
Ben parkte dahinter, dann stiegen sie aus.
Es roch nach Rost und Öl. Irgendwo hinter dem Gebäude bellte zweimal ein Hund und verstummte dann abrupt. Sie hörten lauten
Maschinenlärm, wussten aber nicht, woher er kam. Kein Mensch war zu sehen. Durch ein schmutziges Fenster im Erdgeschoss erkannte
man ein Büro.
«Versuchen wir es dort.»
Die Tür ging von einem kurzen Flur ab. Am anderen |116| Ende befand sich eine Betontreppe, die vermutlich hinauf in die nächste Etage führte. Im Büro lief ein altes Radio. Keith
klopfte an und schob die Tür auf, als die Reaktion ausblieb. In dem Raum war niemand. Ein billiger Resopalschreibtisch war
mit schmutzigen Bechern und Broschüren bedeckt. Das Radio diente auf einem Haufen schmuddeliger Papiere als Briefbeschwerer.
An den Wänden hingen Kalender mit Aktbildern. Vollbusige Frauen rekelten sich auf glänzenden Autos und den Sätteln funkelnder
Motorräder und hielten verschiedene Körperteile in die Kamera.
«Ist da jemand?», rief Keith.
Sie hörten Schritte auf der Treppe. Ben wurde nervös, doch der Mann, der in der Tür auftauchte, war zu alt, um Cole zu sein.
Er war Mitte fünfzig, muskulös und fett. Unter seinem Filzhut schauten graue Haarsträhnen hervor, die dunkler waren als die
silbrigen Stoppeln auf seinem Kinn. Als er ins Büro kam, wischte er seine Hände an einem öligen Lappen ab.
«Morgen, die Herren. Was kann ich für Sie tun?»
Er hatte eine asthmatische, belegte Stimme. Ben hatte plötzlich keine Ahnung mehr, was er sagen sollte, und schaute schnell
Keith an. Der reagierte völlig gelassen.
«Wir suchen Ersatzteile für einen 1985er MG.»
Ben sah, wie der Schrotthändler den leichten Wollanzug und die Seidenkrawatte musterte, und wünschte, Keith hätte nicht seine
Anwaltskluft angezogen. Aber um zwölf Uhr musste er zu einer Besprechung zurück sein. Der Mann rieb sein Kinn. «MG?» Er klang
unschlüssig. «Welche Teile suchen Sie denn?»
«Kommt drauf an, was Sie haben. Ich restauriere den Wagen praktisch von Grund auf, deshalb brauche ich so ziemlich alles.
Vorausgesetzt, es ist in gutem Zustand.»
|117| «Ich glaube, wir haben nichts von einem MG», brummte der Mann in sich hinein. Er kratzte wieder sein Kinn.
«Können wir uns trotzdem umsehen?»
Der Mann hörte nicht zu. Er warf erneut einen Blick auf Keiths Anzug. «Vielleicht könnte ich Ihnen mit anderen Teilen weiterhelfen»,
sagte er. Anscheinend wollte er einen offenbar wohlhabenden Kunden nicht mit leeren Händen gehen lassen. «Kommen Sie mit.»
«Nicht nötig, wir können ...», begann Keith, doch der Mann war bereits auf dem Weg nach draußen.
Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Er führte sie um das Gebäude herum. Der Maschinenlärm wurde lauter.
Hinter dem Büro befand sich ein kleiner, mit Raupenketten versehener Kran. In der Kabine saß ein Mann und bewegte mit den
Kontrollhebeln einen flachen, an den Trossen und Ketten des Auslegers hängenden Magneten, der einen ausgebrannten Ford am
Dach festhielt. Er trug eine schirmlose Lederkappe und sah ebenfalls zu alt aus, um Cole zu sein, wie Ben nach einer Schrecksekunde
erkannte. Der Schrotthändler rief zu ihm hinauf.
«Hast du Johnny gesehen?»
Der Mann in der Kabine hielt eine Hand an sein Ohr, und der Schrotthändler wiederholte die Frage etwas lauter. Der Kranführer
deutete mit einer Kopfbewegung zum anderen Ende des Hofes. «Er ist mit jemandem bei der Presse.»
Der Schrotthändler ging wieder los. «Ich frage einen von meinen Leuten», sagte er, während sie ihm folgten. «Er weiß genau,
was reinkommt und rausgeht. Wenn wir etwas dahaben, dann kann er es finden.»
Ben schaute besorgt zu Keith, der hilflos mit den Achseln zuckte. Beiden war klar, um wen es sich bei diesem «Johnny» handeln
musste. Cole aus der Ferne zu sehen war eine
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