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Obsession

Titel: Obsession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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war in ein Geduldspiel vertieft. Das einzige Zugeständnis seines Vaters an das Wetter war die lange Trainingshose,
     die er jetzt anstatt seiner Shorts trug. Der Atem der beiden stand wie Nebel in der Luft.
    Ben blies in seine hohlen Hände, ohne den Blick vom Sucher zu nehmen. Es war ohne Zweifel verdammt kalt. Die Kälte drang durch
     die Wollmütze, die er sich bis über die Ohren gezogen hatte, und die mit Fleece gefütterte Goretex-Jacke. Seine Finger waren
     vom Hantieren mit der Kamera taub, aber mit Handschuhen hätte er gar nicht arbeiten können. Er rieb seine Nasenspitze und
     überlegte, ob er noch einen Kaffee trinken sollte. Schwerfällig tastete er nach der Thermoskanne. Wenn sie leer war, würde
     ihn nichts mehr wärmen, bis er wieder im Wagen saß.
    Die Weitsicht siegte. Statt den Kaffee auszutrinken, stopfte er die Hände in die Taschen. «Komm schon, mach irgendwas», sagte
     er zu dem vergrößerten Bild von Cole. Aber typisch Cole: Er hatte keine Lust, ihm den Gefallen zu tun. Mit der gleichen gewissenhaften
     Sorgfalt wie eh und je bewegte er die geschundenen Metallteile umher, als würde er schauen, wie sie zusammenpassten. Irgendetwas
     kam Ben bei dem Gedanken in den Sinn, aber er konnte es nicht greifen, und dann war es schon wieder weg. Er seufzte ungeduldig,
     als Cole die eingedellte Autotür von der Stelle wegnahm, mit der er vor fünf Minuten noch glücklich gewesen zu sein schien,
     und sie in einen anderen Bereich des Gartens trug.
    «Es ist nur Schrott», murmelte Ben. «Was soll der Scheiß?»
    |262| Er richtete seine Aufmerksamkeit auf das Haus. Cole und Jacob waren bereits im Garten gewesen, als er angekommen war, Sandra
     hatte er aber noch nicht gesehen. Den zugezogenen Vorhängen im Schlafzimmer nach zu urteilen, war sie noch nicht aufgestanden.
     Ben hoffte, dass sie ihr verschlafenes Wochenende genoss. Am Abend zuvor hatte er sie angerufen und das Gespräch wie selbstverständlich
     aufgenommen. Als er sie daran erinnert hatte, dass er an diesem Wochenende wieder Recht auf Umgang mit Jacob hatte, hatte
     sie entgegnet, dass die Erkältung des Jungen schlimmer geworden sei, aber keiner von beiden hatte einen Anspruch darauf erhoben,
     dass die Lüge etwas anderes war als eine Formalität. Ihr Gespräch hatte einen ziemlich neckischen Unterton gehabt, beinahe
     flirtend. Als Ben auflegte, hatte er einen Ständer.
    Er starrte hinab auf die verschlossenen Vorhänge und wollte, dass Sandra sie öffnete. Aber sie blieben zugezogen. Was soll’s,
     dachte er. Er rückte von der Kamera ab und griff nach der Thermoskanne. Der heiße Dampf des Kaffees kondensierte auf seinen
     Wangen, als er die Hände um den Plastikbecher legte und sich darüberbeugte. Die Luft war feucht und dunstig. Irgendwo in der
     Nähe krächzte eine Krähe, doch ansonsten herrschte im Wald vollkommene Stille. In den letzten Wochen waren die Herbstfarben
     den Grau und Brauntönen des Winters gewichen, eine Jahreszeit mit einem Farbspektrum, das Ben schon deprimierend genug fand,
     wenn er nicht draußen hocken musste. Die kleinen Eichen, die sein Versteck bildeten, waren mittlerweile bis auf ein paar tote
     Blätter, die wie verfrühter Weihnachtsschmuck aussahen, völlig kahl. Er fühlte sich nicht mehr unsichtbar zwischen den Bäumen,
     obgleich die Äste sich so dicht überlappten, dass er bezweifelte, aus ein paar Metern Entfernung |263| gesehen werden zu können. Aber es verstärkte das Gefühl der Unsicherheit, und wenn er dort saß und Leute im Wald hörte, wagte
     er nicht, sich zu bewegen, bis er sicher war, dass sie verschwunden waren.
    Er nahm einen extragroßen Snickers-Riegel aus der Tasche und riss die Folie auf. Die Schokolade war von der Kälte hart und
     brüchig. Als er sie mit einem Schluck Kaffee herunterspülen wollte, merkte er, dass der bereits lau geworden war.
    Er verzog das Gesicht, trank ihn aber trotzdem und aß den halben Riegel. Den Rest steckte er in die Tasche und schaute dann
     wieder durch den Sucher. Die Vorhänge blieben gnadenlos verschlossen. Er neigte die Kamera, sodass er Jacob und Cole im Garten
     sehen konnte.
    Cole hatte mit den ballettartigen Bewegungen seines Aufwärmtrainings begonnen. Ben beobachtete lustlos, wie er sich dehnte
     und streckte. Er hatte das alles unzählige Male gesehen, ihn aber nie wieder dabei erwischt, Jacob zu bedrohen. Mittlerweile
     glaubte er nicht mehr daran, dass es noch einmal geschehen würde. Wahrscheinlich war er tatsächlich Zeuge

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