Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)
– die ich ungelesen gelöscht hatte, sowie mir der Inhalt klarwurde – hatte die Schüler über Justines Tod informiert.
Ich hielt den Atem an und öffnete die Mail.
An alle Mitglieder unserer Schulgemeinschaft:
Mit tiefem Bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass unser Schüler und guter Kamerad Colin Milton Cooper aus dem zehnten Jahrgang der Hawthorne Highschool von uns gegangen ist.
Wer das Privileg hatte, Colin zu kennen, wird mir zustimmen, dass er einer der klügsten und freundlichsten Schüler war, die unsere Schule je hatte. Diejenigen unter Ihnen, die ihn nicht kannten, haben damit einen wahren Verlust erlitten.
Ich erwarte von sämtlichen Mitgliedern dieser ehrwürdigen Schulinstitution, dass sie in der Phase des Übergangs ein angemessenes Verhalten zeigen. Meine Tür steht offen für alle, die Fragen oder Gesprächsbedarf haben.
Zum Schluss noch eine letzte Anmerkung: In unserer modernen digitalen Welt verbreiten sich Nachrichten schnell – und oft genug fehlerhaft. Deshalb bitte ich Sie, die Vorkommnisse nicht mit Außenstehenden zu besprechen. Anfragen vonseiten der Medien sollten an Mr Harold Lawder, den schulischen PR-Manager, weitergeleitet werden.
Mein herzliches Beileid und alle guten Wünsche,
Dr. Martin O’Hare, Schuldirektor
Colin Cooper war im Gegensatz zu Justine noch nicht ausgeschult gewesen, als er starb. Es war kein Wunder, dass der Direktor und seine Verwaltung in Panik ausbrachen. Selbst wenn Colins Tod ein Einzelfall gewesen wäre, hätte es Rundmails und Lehrerversammlungen gegeben. Aber nun hatte Hawthorne zwei Schüler innerhalb weniger Monate verloren, wenn man Justine mitzählte, die bis kurz vor ihrem Tod den Abschlussjahrgang besucht hatte.
Ich las die Nachricht noch einmal und versuchte mir Colin vorzustellen. Aus dem zehnten Jahrgang kannte ich fast niemanden, ich konnte mich nicht erinnern, wie er ausgesehen hatte.
Ohne die Mail zu schließen, öffnete ich ein weiteres Fenster und googelte »Colin Cooper«. Ich erhielt ein paar tausend Treffer, also fügte ich noch die Schlagworte »Milton« und »Hawthorne« hinzu. Gerade wollte ich auf Enter drücken, da fiel mein Blick auf den letzten Eintrag der Seite.
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Eine Online-Dating-Agentur? Dann musste es sich um einen anderen Colin Milton Cooper handeln, immerhin war er höchstens sechzehn Jahre alt gewesen, was mir zu jung für eine Partnervermittlung vorkam. Ganz zu schweigen von dem Risiko, dass seine Mitschüler über dieses Online-Profil stolperten. Das hätten sie ihm noch monatelang unter die Nase gerieben. Die Teenager an der Hawthorne hatten zwar mehr Geld als der Durchschnitt, aber erwachsener benahmen sie sich deshalb nicht.
Um den Link definitiv ausschließen zu können, klickte ich darauf.
»Oh, nein«, stöhnte ich.
Der besagte Colin Milton Cooper bei Elitepaar.com hatte tatsächlich die Hawthorne Highschool in seinem Profil eingetragen. Aber das war noch nicht das Schlimmste. Was mich umwarf, war das zugehörige Foto.
Wie sich herausstellte, hatte ich das Privileg gehabt, einen der klügsten und freundlichsten Schüler zu kennen, die unsere Schule je hatte – zwar nur flüchtig, aber doch gut genug, um die braunen Locken und grünen Augen zu erkennen.
Colin Milton Cooper war der Typ aus der Cafétoilette der Kaffeebohne . Der weinende Junge, dessen ausgedruckte Mail ich gefunden hatte.
»Er hat sich von einer Brücke gestürzt.«
Ich sprang vor Schreck fast an die Decke.
»Sorry.« Parker lehnte an einem Bücherregal und hielt eine Tasse Kaffee in der Hand. »Ich hatte den Eindruck, das würde dich interessieren.«
Mit Herzklopfen ließ ich mich zurück auf meinen Stuhl fallen und griff nach der Maus. »Der Eindruck war falsch.«
»Du hast den Drohbrief unseres Herrn Direktors gelesen, hm?«
Ich loggte mich aus dem Mailprogramm aus und schloss das Fenster mit den Google-Ergebnissen.
»Ist schon absurd, wovor die Leute Angst haben.«
Gerade wollte ich auch die Elitepaar-Seite wegklicken, doch etwas an seinem Tonfall ließ mich innehalten. »Wovon redest du?«
Er trat näher und setzte sich auf die Tischkante. »Bestimmt kennst du das Sprichwort über schlechte PR?«
»Du meinst, dass es so was nicht gibt? Weil eine schlechte Erwähnung in den Medien immer noch besser ist als gar keine?«
Er nickte. »Und weißt du, was unser Direktor dazu sagt?«
Seine Augen waren
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