Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand
Licht.«
»Vielleicht können Sie sich an Details, an Fakten erinnern?«, nahm Michael einen nächsten Anlauf.
Ezra Baschari schwenkte seinen Kopf von einer Seite zur anderen. »Wenn sie etwas erzählt hat, habe ich ganz genau hingehört, aber sie hat nicht viel darüber geredet, was sie tatsächlich macht und wo sie hinging. Nur manchmal. Ich kenne eine oder zwei Freundinnen, kenne den Rechtsanwalt Rosenstein, ab und zu ist sie nach Tel Aviv zum Ausgehen und hat nachher bei der Freundin dort übernachtet, manchmal ist sie länger in der Arbeit geblieben. Und die ganze Zeit ihre Pläne zu studieren ...«
»Was wollte sie studieren?«
»Gesang, sie wollte ins Ausland dazu, nach Amerika, ihr Bruder ... wir haben einen Sohn, der in den Vereinigten Staaten lebt, er ist im Auftrag seiner Firma dorthin gefahren und er ...«
Ne’ima Baschari kehrte ins Zimmer zurück, einen großen Um schlag mit übertriebener Behutsamkeit in beiden Händen hal tend. Ihr Mann ließ seinen Kopf wieder in die Hände sinken und Michael, dem der Umschlag stumm hingehalten wurde, entnahm ihm einen Packen Farbfotos, die er auf seine Knie legte.
Es waren wohl über zwanzig Bilder: Zohra in Uniform, Zohra in einem karierten Hemd, das aus der Hose flatterte, Zohra im nassen Unterhemd, den Kopf zurückgeworfen, die schwarzen Haarsträhnen wassertriefend, Zohra in einem langen roten Kleid – »auf der Hochzeit ihres großen Bruders, vor acht Jahren .. . vierzehn war sie damals«, sagte Ne’ima Baschari mit mechanischer Stimme –, Zohra in kurzen Hosen und Zohra im weißen Badeanzug, auf der Seite liegend und in die Kamera lächelnd, und neben ihr kniete ein Junge.
»Wer ist das?«, fragte Michael.
Ne’ima Baschari polierte ihre Brillengläser und hielt das Foto näher an die Augen. »Mir kommt vor, der heißt Jossi, aber ich bin nicht sicher«, sagte sie schließlich und reichte das Foto an ihren Mann weiter.
»Nicht Jossi, Eitan«, sagte er, »Eitan Sachs, das ist der Sohn von Jehuda Sachs von der Bank, erinnerst du dich nicht, er hat sie immer ans Meer mitgenommen. Sie sind zusammen in die Schule gegangen«, erklärte er Michael, »sie hat keinen Kontakt mehr mit ihm.«
»Sachs? Ein Aschkenasi?«
»Das war noch von der Schule her«, erläuterte Ne’ima Baschari, »das zählt nicht als Mann.«
Für einen Moment geriet der Mord in Vergessenheit, und es war fast, als blätterten sie in einem normalen Fotoalbum und be wunderten zusammen mit den Eltern die gelungene Tochter. Michael zog ein großes Schwarzweißfoto aus dem Stapel, Zohra in einem schwarzen Abendkleid, das glatte Haar im Stil einer ägyptischen Prinzessin fiel ihr zur Hälfte übers Gesicht, ihr Mund stand offen, und sie hielt ein Mikrofon in Händen.
»Zohra hat da gesungen, auf einer Hochzeit ...«, die Mutter brach erstickt ab.
Michael räusperte sich. »Wir werden diese Fotos mitnehmen. Und sie Ihnen wieder zurückbringen«, setzte er hastig hinzu, als er das Entsetzen auf ihrem Gesicht sah, »und wir werden auch eine Durchsuchung ihres Zimmers vornehmen müssen, mit Ihrer Erlaubnis.«
»Es gibt sicher auch ein Video von ihrem Aufritt«, mischte sich Wachtmeister Ja’ir ein.
»Wir haben keins, vielleicht in ihrem Zimmer, ihr Bruder Natanael hat eins«, erwiderte Ne’ima Baschari und betrachtete besorgt ihren Mann, der seine Hände ausbreitete. »Tun Sie, was nötig ist«, sagte er mit rissiger Stimme, »wir werden Sie nicht daran hindern.«
Michael nickte zu Zila hinüber, die daraufhin das Zimmer verließ, einen Augenblick später zurückkam und sagte: »Die Leute von der Spurensicherung sind unterwegs, zehn Minuten, mehr nicht.«
»Du kannst anfangen«, wies er Ja’ir an, »wenn Frau Baschari dich ins Zimmer ihrer Tochter bringen könnte, kannst du anfangen.«
»Ich gehe alles ganz langsam durch«, erklärte Wachtmeister Ja’ir Michael, als dieser danach ins Zimmer trat. Der Kleiderschrank stand offen, der Inhalt lag schon auf dem gestreiften Teppich, bereit, um von den Leuten der Spurensicherung eingepackt zu werden. Wachtmeister Ja’ir saß auf dem schmalen Bett inmitten von Zetteln und Fotos, leeren Parfümfläschchen, alten Notizkalendern in bunten Plastikdeckeln, Ansichts- und Glückwunschkarten, Heften und Briefen. Auch ein rostiger Schlüssel war dabei, ein Ohrring mit roten Steinen neben Kupferarmreifen und Ket ten, Haarnadeln und einem Päckchen Zigaretten, auf dessen Rücken eine Telefonnummer notiert war.
»Brauchen wir das?«, fragte der
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