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Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Odyssee: Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Homer
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Freunde
    Sprangen umher und schweigten mich alle mit freundlichen Worten:
    Waghals! willst du noch mehr den grausamen Riesen erbittern,
    Welcher mit seinem Geschoß in die See hinspielet und eben
    Wieder ans Ufer uns warf, wo Tod und Verderben uns drohte?
    Hätt er von dir nur ein Wort, nur deine Stimme vernommen,
    Wahrlich, mit einem geschleuderten Fels hätt er unsere Schädel
    Samt den Balken des Schiffes zerschellt! Er versteht sich aufs Schleudern!
    Aber sie strebten umsonst, mein edles Herz zu bewegen.
    Und ich rief dem Kyklopen von neuem mit zürnender Seele:
    Hör, Kyklope! Sollte dich einst von den sterblichen Menschen
    Jemand fragen, wer dir dein Auge so schändlich geblendet,
    Sag ihm: Odysseus, der Sohn Laertes’, der Städteverwüster,
    Der in Ithaka wohnt, der hat mein Auge geblendet!
    Also rief ich ihm zu; und heulend gab er zur Antwort:
    Weh mir! es trifft mich jetzo ein längstverkündetes Schicksal!
    Hier war einst ein Prophet, ein Mann von Schönheit und Größe,
    Telemos, Eurymos’ Sohn, bekannt mit den Zeichen der Zukunft
    Und bis ins Alter beschäftigt, sie uns Kyklopen zu deuten;
    Der weissagte mir alles, was jetzt nach Jahren erfüllt wird:
    Durch Odysseus’ Hände würd ich mein Auge verlieren.
    Doch erwartet’ ich immer, ein großer und stattlicher Riese
    Würde mich hier besuchen, mit großer Stärke gerüstet!
    Und nun kommt so ein Ding, so ein elender Wicht, so ein Weichling
    Und verbrennt mir das Auge, nachdem er mit Wein mich berauschet!
    Komm doch her, Odysseus! Ich will dich herrlich bewirten
    Und dir ein sicher Geleit vom hohen Poseidon verschaffen.
    Denn ich bin sein Sohn, und rühmend nennt er sich Vater!
    Dieser kann mich auch heilen, wenn’s ihm gelüstet; kein andrer
    Unter den seligen Göttern, noch unter den sterblichen Menschen!
    Also sprach der Kyklop. Ich gab ihm dieses zur Antwort:
    Könnt ich nur so gewiß auch deines Geistes und Lebens
    Dich entledigen und in die Schattenwohnungen senden,
    Als dein Auge selbst der hohe Poseidon nicht heilet!
    Also sprach ich. Da streckt’ er empor zum sternichten Himmel
    Seine Händ’ und flehte dem Meerbeherrscher Poseidon:
    Höre mich, Erdumgürter, du bläulichgelockter Poseidon.
    Bin ich wirklich dein Sohn und nennst du rühmend dich Vater,
    Gib, daß Odysseus, der Sohn Laertes’, der Städteverwüster,
    Der in Ithaka wohnt, nicht wiederkehre zur Heimat!
    Oder ward ihm bestimmt, die Freunde wiederzusehen
    Und sein prächtiges Haus und seiner Väter Gefilde,
    Laß ihn spät, unglücklich und ohne Gefährten zur Heimat
    Kehren auf fremdem Schiff und Elend finden im Hause!
    Also sprach er flehend; ihn hörte der Bläulichgelockte.
    Und nun hub er von neuem noch einen größeren Fels auf,
    Schwang ihn im Wirbel und warf mit unermeßlicher Stärke.
    Aber er fiel diesseits des blaugeschnäbelten Schiffes
    Nieder, und wenig gefehlt, so traf er die Spitze des Steuers.
    Hochauf wogte das Meer von dem stürzenden Felsen; und vorwärts
    Trieben die Fluten das Schiff und warfen es an das Gestade.
    Also erreichten wir des Eilandes Bucht, wo die andern
    Schöngebordeten Schiffe beisammen ruhten und ringsum
    Trauernd die Freunde saßen und uns beständig erwartend.
    Jetzo landeten wir am sandigen Ufer des Eilands,
    Stiegen dann aus dem Schiff ans krumme Gestade des Meeres,
    Nahmen vom hohlen Schiffe die Herd und teileten sie alle
    Unter uns gleich, daß keiner leer von der Beute mir ausging.
    Aber den Widder schenkten die schöngeharnischten Freunde
    Mir bei der Teilung voraus. Ihn opfert ich an dem Gestade
    Zeus Kronion, dem Wolkenversammler, der alles beherrschet,
    Und verbrannte die Lenden. Doch er verschmähte das Opfer;
    Unversöhnt beschloß er in seinem Rate Vertilgung
    Aller rüstigen Schiff’ und meiner lieben Gefährten.
    Also saßen wir dort den Tag, bis die Sonne sich neigte,
    An der Fülle des Fleisches und süßen Weines uns labend.
    Als die Sonne nun sank und Dunkel die Erde bedeckte,
    Legten wir uns zum Schlummer am Strande des rauschenden Meeres.
    Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte,
    Trat ich selber ins Schiff und ermahnete meine Gefährten,
    Einzusteigen und schnell die Seile vom Ufer zu lösen.
    Und sie traten ins Schiff und setzten sich hin auf die Bänke,
    Saßen in Reihn und schlugen die graue Woge mit Rudern.
    Also steuerten wir mit trauriger Seele von dannen,
    Froh der bestandnen Gefahr, doch ohne die lieben Gefährten.

X. Gesang
    Aiolos, der Winde erregt und stillt, entsendet ihn mit günstigem

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