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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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anderer Art zu
befreien. Antoinette nahm nicht an, dass Ilia die Entscheidung
leichtfertig getroffen hatte. Andererseits – sie hatte die Frau
allerdings nur flüchtig gekannt – glaubte sie auch nicht,
dass sie dabei allzu viel Rücksicht auf die Gefühle des
Captains genommen hatte.
    »Das finde ich sehr großmütig«, sagte
sie.
    »Ich sehe ein, dass sie das Schiff retten wollte. Ich sehe
außerdem ein, dass sie mich auch hätte töten
können. Wahrscheinlich wollte sie das, nachdem sie erfahren
hatte, was ich Sajaki angetan hatte.«
    »Bedauere, aber das war lange vor meiner Zeit.«
    »Ich habe einen guten Mann ermordet«, sagte der Captain.
»Ilia wusste es. Sie wusste, was ich getan hatte, als sie mich
zu dem machte, was ich jetzt bin. Es wäre mir lieber, sie
hätte mich getötet.«
    »Dann haben auch Sie für Ihre Tat
gebüßt«, sagte Antoinette. »Und selbst wenn Sie
damals nicht so gehandelt hätte, wie sie es tat, es würde
keine Rolle spielen. Sie haben einhundertsechzigtausend Menschen vor
dem sicheren Tod gerettet, und nur darauf kommt es an. Damit haben
Sie Ihr Verbrechen mehr als hunderttausendfach wieder
gutgemacht.«
    »Glaubst du wirklich, dass sich die Welt an solche Regeln
hält, Antoinette?«
    »Mir genügt diese Sicht, John, aber wer bin ich schon?
Die Tochter eines Raumpiloten aus dem Rostgürtel.«
    Eine Pause trat ein. Der Captain nahm, ohne den Helm abzulegen,
das Ende des gerippten roten Schlauchs und steckte ihn in die
Öffnung an der Helmseite. Das wirkliche Objekt und die
Simulation gingen so nahtlos ineinander über, dass einem angst
werden konnte.
    »Ich frage mich nur, Antoinette, wozu es gut war, alle diese
Menschen zu retten, wenn sie jetzt hier auf Ararat sterben
müssen?«
    »Noch ist nicht sicher, ob irgendjemand sterben muss. Bisher
haben uns die Unterdrücker hier unten noch kein Haar
gekrümmt.«
    »Trotzdem würdest du dich gerne
rückversichern.«
    »Wir müssen das Undenkbare in Betracht ziehen, John.
Wenn es zum Schlimmsten kommt, müssen wir Ararat verlassen. Und
Sie sollten der Mann sein, der weiß, wie wir das
anstellen.«
    Er setzte den Helm auf seinen Halsring auf und drehte ihn hin und
her, bis er einrastete. Das Visier war noch geöffnet. Das
Weiß seiner Augen leuchtete wie zwei helle Halbmonde aus der
Schattenkarte seines Gesichts. Grüne und rote Ziffern flimmerten
über seine Haut.
    »Es war ziemlich mutig, ganz allein hier herunterzukommen,
Antoinette.«
    »Ich finde, Feiglinge haben in diesen Zeiten keinen
Platz«, sagte sie.
    »Nicht nur in dieser Zeit«, gab er zurück und
klappte das Visier herunter. »Und was dein Anliegen
angeht…«
    »Ja?«
    »Ich werde es mir überlegen.«
    Damit wandte er sich ab und verschwand langsam in der Dunkelheit.
Eine rostrote Staubwolke wirbelte auf und entzog ihn ihren Blicken
wie ein Sandsturm auf dem Mars.

 
Hela

2727
     
     
    Der Ultra-Captain hieß Heckel, und sein Schiff hatte den
Namen Dritte Gasometrie. Er war in einer überaus
antiquierten roten Fähre gelandet – sie bestand aus drei
verbundenen Kugeln, die mit riesigen stilisierten Taranteln markiert
waren.
    Dieser Heckel war selbst für moderne Begriffe ein sehr
seltsames Individuum. Der Mobilitätsanzug, in dem er die Morwenna betrat, war ein Monstrum aus Leder und Messing mit
gummierten Faltenbälgen an allen Gelenken und blanken, fest
aufgenieteten Stahlplatten. Der Helm hatte nur winzige vergitterte
Augenöffnungen, hinter denen unentwegt Scheibenwischer hin und
her gingen, um für klare Sicht zu sorgen. Aus defekten
Anschlüssen und porösen Dichtungen zischte Dampf. Der
Captain wurde von zwei Assistenten begleitet, die ständig
irgendwelche Klappen an seinem Anzug öffneten und schlossen und
mit Messingknöpfen und Ventilen hantierten. Seine Stimme kam aus
einer kleinen Pfeifenorgel, die aus seinem Helm herauswuchs. Wenn sie
zu schrill oder zu tief wurde, musste er sie mit verschiedenen
Knöpfen in der Brustgegend regulieren.
    Quaiche verstand kein Wort von dem, was der Mann sagte, aber das
war weiter kein Problem. Heckel hatte einen Standard-Dolmetscher
mitgebracht, eine kleine Frau mit sanften Rehaugen, die einen
halbwegs neuzeitlichen Raumanzug trug. Der Helm hatte sich
zusammengefaltet und nach hinten weggeklappt wie der Schopf eines
Kakadus, sodass man ihr Gesicht sehen konnte.
    »Sie sind keine Ultra«, wandte sich Quaiche an die
Dolmetscherin.
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Es amüsiert mich nur. Als ich anfing, hatte ich
nämlich eine ganz

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