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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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würde sie gleich in Gelächter ausbrechen.
»Mit Schatten verhandeln.«
    »Ich halte nichts von Verhandlungen«, sagte Scorpio.
»Davon wird das Elend immer nur noch
größer.«
    »Vielleicht wird es Zeit, dass du deine Meinung
änderst«, sagte Khouri.
    Dann gingen die beiden und ließen ihn mit den Technikern
allein. Er hatte sich über den Besuch gefreut, aber nun war er
froh, in Ruhe seine Gedanken ordnen zu können, um
sicherzustellen, dass er nichts Wichtiges vergaß. Eine Sache
lag ihm besonders am Herzen. Er hatte bisher noch niemandem von
seinem letzten Gespräch mit Remontoire erzählt, kurz bevor
der Synthetiker von Bord gegangen war. Es war nicht aufgezeichnet
worden, und Scorpio war nicht viel mehr als die Erinnerung an die
Worte geblieben: Remontoire hatte keine Daten und keine schriftlichen
Unterlagen hinterlassen, nur ein Stück durchsichtiges
weißes Material, klein genug, um es in die Tasche zu
stecken.
    Im Rückblick fand Scorpio sein Schweigen eher bedenklich. War
es richtig gewesen, Aura und ihrer Mutter Remontoires Zweifel zu
verheimlichen? Der Synthetiker hatte die Entscheidung letztlich ihm
überlassen: ein Zeichen dafür, wie sehr er Scorpio
vertraute.
    Jetzt im Tank hätte sich Scorpio gerne mit etwas weniger
Vertrauen zufrieden gegeben.
    Er hatte die weiße Scherbe nicht bei sich. Sie befand sich
bei seinen persönlichen Sachen und wartete auf seine
Reanimation. Sie war an sich nicht wertvoll, und hätte jemand
anderer sie gefunden, er hätte sie wohl nicht weiter beachtet,
sondern angenommen, es handle sich um ein seltsames Schmuckstück
oder einen Talisman von lediglich sentimentalem Wert. Wichtig war
jedoch, wo Remontoire sie gefunden hatte. Und das wusste nur
Scorpio.
     
    »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll«, sagte
Remontoire und reichte Scorpio den gekrümmten weißen
Splitter. Scorpio untersuchte ihn und war zunächst
enttäuscht. Das Material war durchscheinend. Die Kanten waren
scharf genug, um sich daran zu verletzen, und das Ding war so hart,
dass man es weder biegen noch brechen konnte. Es sah aus wie ein
Stück vom Zehennagel eines Dinosauriers.
    »Ich kenne das Zeug, Rem.«
    »Ja?«
    »Es ist Muschelmaterial. Auf Ararat wurden nach Stürmen
solche Stücke überall angeschwemmt oder schwammen
draußen auf dem Meer. Und die waren viel größer als
das hier.«
    »Wie groß?«, fragte Remontoire und legte die
Finger aneinander.
    »Manchmal so groß, dass man Häuser daraus bauen
konnte. Sogar größere Regierungsgebäude. Wir hatten
nicht so viel Metall oder Plastik, wie wir gebraucht hätten,
deshalb behalfen wir uns mit dem, was der Planet zu bieten hatte. Die
Muschelstücke mussten verankert werden, weil sie sonst vom
ersten Sturm mitgerissen worden wären.«
    »Schwer zu bearbeiten?«
    »Schneiden ließen sie sich nur mit
Schweißbrennern, aber das besagt nicht viel. Du weißt ja
nicht, in welchem Zustand unsere Werkzeuge waren.«
    »Was glaubst du, woher die Muschelstücke kamen, Scorp?
Hattet ihr darüber eine Theorie?«
    »Dafür waren wir zu beschäftigt.«
    »Aber ihr müsst euch doch irgendetwas gedacht
haben.«
    Scorpio zuckte die Achseln und gab ihm das Fragment zurück.
»Wir hielten sie für Schalen von ausgestorbenen
Meerestieren, denn lebende Geschöpfe dieser Größe gab
es auf Ararat nicht mehr. Die Schieber waren nicht die einzigen
Organismen in diesem Ozean; es existierten immer auch andere
Lebensformen, vielleicht Nachkommen der ursprünglichen Bewohner
vor der Schieber-Kolonisierung.«
    Remontoire klopfte mit dem Finger gegen die Scherbe. »Ich
glaube nicht, dass wir es hier mit Meerestieren zu tun haben,
Scorp.«
    »Ist das denn so wichtig?«
    »Möglicherweise schon, wenn man bedenkt, dass ich das
Ding im All gefunden habe, im Orbit um Ararat.« Er gab dem
Schwein die Scherbe zurück. »Habe ich dein Interesse
geweckt?«
    »Schon möglich.«
    Remontoire erzählte ihm auch den Rest. In der letzten Phase
der Schlacht um Ararat hatte sich eine Gruppe von Synthetikern aus
Skades Gruppe an ihn gewandt. »Sie wussten, dass Skade tot war.
Seit sie ohne Führung waren, zerfleischten sie sich in sinnlosen
Streitigkeiten. Sie suchten Kontakt zu mir, weil sie hofften, die
hypometrische Technologie stehlen zu können. Sie hatten schon
vieles in Erfahrung gebracht, aber diese Waffe fehlte ihnen noch. Ich
konnte den Versuch abwehren, ließ sie aber mit einer Warnung
davonkommen. Ich wollte mir so kurz vor dem Ende keine neuen

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