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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Gelegentlich kamen sie an einem Transponderturm oder
einem Außenposten vorbei oder begegneten gar einem Fahrzeug,
das in die Gegenrichtung unterwegs war.
    Rachmika gewöhnte sich an die einschläfernden
Schaukelbewegungen und konnte auf dem Eisjammer umhergehen, ohne das
Gleichgewicht zu verlieren. Hin und wieder setzte sie sich in ihr
Schlafkämmerchen, zog die Knie bis zum Kinn hoch, beobachtete,
wie die Landschaft vor dem Fenster vorbeizog, und stellte sich vor,
in jedem bizarren Felsen, jedem Eisbrocken verberge sich ein Rest des
Alien-Reichs. Auch über die Flitzer dachte sie viel nach, und
vor ihrem geistigen Auge füllten sich die leeren Seiten ihres
Buches mit ordentlicher Handschrift und präzise schraffierten
Zeichnungen.
    Sie trank Kaffee oder Tee und aß von der mitgebrachten
Verpflegung. Gelegentlich unterhielt sie sich mit Culver, wenn auch
nicht so oft, wie der es gern gehabt hätte.
    Als sie ihre Flucht plante – wobei ›Flucht‹ nicht
ganz das richtige Wort war, es gab schließlich nichts, wovor
sie davonlaufen wollte –, jedenfalls hatten ihre Pläne
immer beim Verlassen des Dorfes geendet. Wenn sie hin und wieder
darüber hinausgegangen war, hatte sie nur daran gedacht, wie
erleichtert sie sein würde, wenn der schwierigste Teil geschafft
wäre und Elternhaus und Dorf endlich hinter ihr lägen.
    Doch jetzt war alles ganz anders. Sie war nicht mehr so verkrampft
beim Ausstieg durch die Luftschleuse, aber nur deshalb, weil dieser
Zustand über längere Zeit nicht durchzuhalten war. Die
Anspannung hatte sich auf einem niedrigeren Niveau eingependelt, die
Angst lag ihr wie ein Stein im Magen. Das lag nicht zuletzt daran,
dass sie sich jetzt mit Fragen beschäftigte, die sie bisher im
Ungewissen gelassen hatte. Die Begegnung mit den Kirchen war zum
konkreten Ereignis in naher Zukunft geworden. Auch was sie
zurückgelassen hatte, erfüllte sie mit Sorge. Bei der
Planung der Reise zu den Karawanen waren ihr drei oder auch sechs
Tage gar nicht so lange erschienen, doch nun zählte sie jede
Stunde. Sie malte sich aus, wie sich im Dorf herumsprach, was
geschehen war, wie man alle Kräfte mobilisierte, um sie
zurückzuholen, wie die Gendarmen in ihren schnellen Fahrzeugen
den Eisjammer verfolgten. Crozet oder Linxe waren dort ohnehin nicht
beliebt. Alle würden unterstellen, die beiden hätten sie
zur Flucht überredet und wären die wahren Schuldigen an
ihrem Unglück. Falls die Verfolger sie einholten, würde man
ihr gehörig die Leviten lesen, aber Crozet und Linxe würde
der Mob in Stücke reißen.
    Doch bisher wies nichts auf eine Verfolgung hin. Crozets Maschine
war schnell, aber wenn sie eine der seltenen Anhöhen erklommen
hatten und über fünfzehn oder zwanzig Kilometer
zurückschauen konnten und nichts zu sehen war, stellte sich
regelmäßig ein flüchtiges Gefühl der
Erleichterung ein.
    Crozet versicherte ihr zwar, es gebe keine Abkürzungen, und
niemand würde voraus auf sie warten, aber sie blieb unruhig. Hin
und wieder tat der Mann ihr den Gefallen und stellte das
Funkgerät auf die Frequenz des Dorfes ein, aber meistens
rauschte es nur im Empfänger. Das war weiter nicht
ungewöhnlich, denn der Funkverkehr auf Hela war dem Einfluss der
Magnetstürme, die um Haldora tobten, hilflos ausgeliefert. Es
gab andere Kommunikationsverbindungen – etwa mittels modulierter
Laserstrahlen zwischen Satelliten und Bodenstationen oder durch
faseroptische Überlandleitungen –, aber die waren zumeist
in der Hand der Kirchen, und Crozet hatte sich ohnehin nirgendwo
registriert. Er wusste, wie er solche Netze notfalls anzapfen konnte,
wollte aber im Moment nicht durch illegale Aktivitäten
auffallen. Schließlich gelang es ihm doch, den Sender von
Vigrid störungsfrei hereinzubekommen, und Rachmika konnte sich
die Nachrichten für die großen Dörfer anhören.
Aber ihre Erwartungen erfüllten sich nicht. Es gab Berichte von
Kaverneneinstürzen, Stromausfällen und den üblichen
Höhen und Tiefen des dörflichen Lebens, aber keine einzige
Vermisstenmeldung. Mit ihren siebzehn Jahren war Rachmika noch
minderjährig und der Obhut ihrer Eltern unterstellt, die
hätten also durchaus das Recht gehabt, Anzeige zu erstatten. Sie
machten sich sogar strafbar, wenn sie es unterließen.
    Rachmika wollte es nicht zugeben, aber sie war tief beunruhigt.
Natürlich konnte es ihr einerseits nur Recht sein, wenn ihr
Verschwinden wie geplant unbemerkt blieb. Andererseits sehnte sich
das Kind in ihr nach einem Zeichen, dass

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