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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Und
das wiederum heißt, dass sie einem misstrauen.«
    Das Tierchen machte sich über ein Häufchen
Samenkörner her, das der Quästor auf den Tisch
geschüttet hatte. Es war zu possierlich, wie es zuerst
fraß und sich dann putzte, dass sein Herr sich von dem
Augenblick kaum losreißen konnte. Die schwarzen Facettenaugen
– bei richtiger Beleuchtung sah man, dass sie eigentlich
dunkelviolett waren – funkelten wie seltene Edelsteine.
    »Wer mag das sein, wer mag das sein…« Der
Quästor trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Hier hast
du noch ein paar Körner. Ein Krückstock. Wen kennen
wir, der am Stock geht?«
    Das Tierchen schaute zu ihm auf, als wollte es die Frage
beantworten. Doch dann legte es den Schwanz um einen Briefbeschwerer
und knabberte weiter.
    »Das bedeutet nichts Gutes, Peppermint. Ich spüre
es.«
    Der Quästor war stolz darauf, seine Karawane fest im Griff zu
haben. Er tat, was die Kirche von ihm verlangte, ansonsten hielt er
sich aus der Kathedralenpolitik tunlichst heraus. Seine Karawane
kehrte immer pünktlich zum Weg zurück und brachte
fast immer ein respektables Kontingent an Pilgern, Wanderarbeitern
und Flitzerfunden mit. Seine Fahrgäste wie seine Kunden wurden
gut betreut, aber er suchte weder ihre Freundschaft, noch erwartete
er Dankbarkeit. Er war darauf nicht angewiesen: Er hatte seine
Arbeit, und er hatte Peppermint, und mehr brauchte er nicht.
    In letzter Zeit waren die Geschäfte nicht gut gelaufen, aber
das ging allen Karawanen so, und wenn man ein Exempel statuieren
wollte, dann gab es Züge, die wesentlich schlechter abschnitten
als die Karawane des Quästors. Außerdem war die Kirche in
den letzten Jahren mit seinen Leistungen offenbar zufrieden gewesen,
sonst wäre seine Karawane nicht so groß geworden, und man
hätte sie nicht auf allen wichtigen Handelsrouten eingesetzt.
Mit den Vertretern der Kathedralen kam er gut aus, und bei
Händlern wie Crozet galt er als fairer Partner – obwohl das
keiner jemals zugegeben hätte. Was also mochte der Zweck dieses
Überraschungsbesuches sein?
    Hoffentlich ging es nicht um Blut. Jedermann wusste, dass man bei
engerer Zusammenarbeit mit den Kathedralen unweigerlich auch mit den
Agenten des Blutzoll-Offiziums zu tun bekam, jener kirchlichen
Behörde, die für die Verbreitung von Quaiches wahrem Blut
zuständig war. Das Offizium war bekanntlich eine
Unterabteilung des Glockenturms. Doch in dieser Entfernung vom Weg floss Quaiches Blut nur stark verdünnt durch die
Adern. Das Leben auf dem Lande war hart. Jenseits der eisernen
Kathedralenwände gab es Eisstürze und Geysire,
Schwierigkeiten, mit denen man sich vorbehaltlos und mit klarem Kopf
auseinander setzen musste, nicht mit der chemisch erzeugten
Frömmigkeit eines Indoktrinationsvirus. Aber vielleicht hatte
sich ja die Politik geändert und der Einflussbereich des Blutzoll-Offiziums war erweitert worden?
    »Es ist dieser Crozet«, sagte der Quästor. »Er
bringt immer Unglück. Ich hätte ihn so kurz vor dem Ziel
nicht mehr empfangen, sondern ihn mit eingezogenem Schwanz wieder
nach Hause schicken sollen. Er ist nur ein nichtsnutziger
Tagedieb.«
    Peppermint schaute zu ihm auf. Das Mäulchen bewegte sich.
»Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein«,
sagte es.
    »Gewiss doch, Peppermint, vielen Dank.« Der Quästor
öffnete die Schublade seines Schreibtischs. »Und jetzt hier
hinein mit dir, bis unser Besucher wieder fort ist. Und halt die
Klappe.«
    Er griff nach dem Tierchen und wollte es vorsichtig so
zurechtbiegen, dass es in die Schublade passte. Doch schon
öffnete sich die Tür zu seinem Büro. Der
Hauptschlüssel des Fremden funktionierte sogar hier.
    Der Mann im Druckanzug trat ein, blieb stehen und schloss die
Tür hinter sich. Dann lehnte er den Krückstock an den
Schreibtisch und stellte das weiße Köfferchen ab.
Schließlich hob er beide Hände und löste den
Helmring. Der Helm war ein barockes Ungetüm, das Visier war von
Fratzengesichtern in Halbrelieftechnik umgeben. Der Fremde nahm ihn
ab und stellte ihn auf den Schreibtisch.
    Der Quästor stellte überrascht fest, dass er den
Besucher nicht kannte. Er hatte einen der Kirchenvertreter erwartet,
mit denen er sonst zu tun hatte, aber diesen Mann hatte er noch nie
gesehen.
    »Ich hätte ein Wörtchen mit Ihnen zu reden,
Quästor«, sagte er und wies auf den Sessel vor dem
Schreibtisch.
    »Gewiss doch«, nickte Quästor Jones hastig.
»Bitte nehmen Sie Platz. Wie war Ihre…?«
    »Meine Reise vom Weg

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