Oksa Pollock. Die Unverhoffte
ein solcher Versager !«
»Aha! Und der beste Freund einer Königin zu sein, das ist also nichts? Du gehst zu weit, mein Lieber«, sagte sie und schnitt eine Grimasse. »Glaubst du denn, dass jemand, der so toll ist wie ich, sich mit einem totalen Versager abgeben würde? Wirklich?«
Gus lächelte schwach. »Manchmal wäre ich einfach zu gern so wie du …«
»Bloß nicht, Gus, glaub mir! Du bist ganz wunderbar, so wie du bist«, murmelte Oksa, rot bis unter die Haarwurzeln.
Beide blieben schweigend in der Dunkelheit, die sich langsam über den Salon senkte, nebeneinander sitzen. Der Regen hatte genauso schnell wieder aufgehört, wie er gekommen war, das leise Schnarchen des kleinen Plemplems und die gedämpfte Stimme von Leomido, der sich in der Küche mit dessen Eltern unterhielt, waren die einzigen Geräusche, die zu ihnen drangen. Dragomira lehnte in der Tür und schaute zu den beiden Kindern, die sie nur von hinten sehen konnte. Das aufgeschnappte Gespräch hatte sie tief bewegt. Sie wischte sich eine Träne weg und schlich sich zu Leomido in die Küche.
Das Verschwinden in der Heide
A
ls Oksa aufwachte, hörte sie den Regen gegen die Fensterscheibe trommeln. Der Tag war offenbar schon lange angebrochen, und das Licht, das durch die Vorhänge fiel, war düster. Oksa hatte sich in ihrer Bettdecke verheddert und war ganz verschwitzt. Sie kämpfte sich frei und ging, wie am Tag zuvor, in Gus’ Zimmer.
Er schlief noch – oder tat jedenfalls so – und atmete ruhig. Oksa musterte ihn und ertappte sich dabei, dass sie die gleichmäßigen Züge ihres Freundes bewunderte – er war das perfekte Ebenbild des rätselhaften Helden aus einem der Mangas, die sie so gern las. Gus. Ihr Freund Gus.
Der schleuderte plötzlich seine Bettdecke quer durch den Raum, gab einen lauten Schrei von sich und sprang auf. Oksa fuhr überrascht zusammen.
»Na, Oksa, auf dem Beobachtungsposten?«
Oksa schnitt eine Grimasse, ehe sie die Bettdecke – mit einem Blick – wieder an ihren Platz beförderte.
»Alte Angeberin«, sagte Gus lächelnd.
Dreimaliges leises Klopfen unterbrach ihr Gespräch.
Oksa öffnete die Tür und stand direkt vor Leomidos Plempline, die eine leuchtend grüne Schürze trug und eine Kochmütze auf dem Kopf hatte.
»Junge Huldvolle und ihr junger Freund, das zehnmalige Schlagen der Uhr wird in unseren Ohren ertönen. Das ist die Mitteilung, dass alle Bäuche warten. Doch keine Sorge! Die Plemplems können solcherlei Unannehmlichkeiten vorhersehen und haben Speisen zubereitet, die das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen werden.«
Oksa bückte sich, um auf gleicher Höhe mit dem Geschöpf zu sein. »Du meinst, dass wir zum Essen kommen sollen, oder?«, fragte sie.
»Das ist eine Behauptung von exakter Richtigkeit, Junge Huldvolle.«
»Wo sind Dragomira und Leomido?«
»Oh, Junge Huldvolle! Wie soll ich Euch eine Antwort geben, ohne in ein Risiko zu geraten?«
»Ein Risiko? Welches Risiko?«
»Das Risiko für mich, die Lieferung einer Auskunft zu tätigen, die ich mit Geheimnis umwittern sollte«, sagte die Plempline, sah sich dabei erschrocken um und wickelte ihre langen Arme umeinander.
»Sag es uns, Plempline, bitte! Wir werden es niemandem verraten, du kannst dich auf uns verlassen.«
Gus kam heran und kniete sich ebenfalls vor das Geschöpf.
»Nun, ich bin in der Schwierigkeit, der Jungen Huldvollen etwas zu verweigern …« Die Plempline holte tief Luft und fuhr dann mit leiser Stimme fort: »Ein Eindringling hat sich nächtliche Erlaubnisse genommen.«
»Was für ein Eindringling?«
»Ach, Junge Huldvolle, ein Eindringling ist um den Wohnsitz unseres Meisters geschlichen. Seine großen Füße haben Abdrücke in die Erde des Gemüsegartens und des Friedhofs geprägt. Und seine Neugier am Fenster hat Störungen bei den Goranovs verursacht, die in eine schreckliche Angstattacke verfallen sind. Ein weiteres Problem hat sich hinzugefügt: Der grässliche Grässlon hat das Verschwinden ausgeübt.«
»Wie? Was willst du damit sagen?«, fragte Oksa. »Ist er etwa entwischt?«
»Jedenfalls gibt es ihn gewiss nicht mehr in unserer Umgebung. Das Verschwinden wird allerdings nicht bedauert, weil der Kamerad verabscheuenswürdig war. Doch das Beunruhigungsniveau des Meisters hat die Zunahme erlebt. Er hat Erkundungen getätigt, doch das Aufspüren ist negativ. Er hat die Angst, dass der Grässlon eine Irrfahrt tätigt, und den von Hoffnung erfüllten Gedanken, dass das Versteck auf dem
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