Oksa Pollock. Die Unverhoffte
spickte seine Geschichte mit Details über das Klima, die den kleinen verfrorenen Geschöpfen ganz neue Perspektiven eröffneten.
»Genau die Wetterlage, die uns vorschwebt!«, riefen sie begeistert. »Warum beharrt der Meister darauf, auf der nördlichen Halbkugel zu verweilen, wenn die südliche so viel verlockender ist? Die australische Wüste ist der keltischen Heide in puncto Bevölkerungsdichte doch mindestens ebenbürtig, wenn ihm daran liegt. Ah, junger Freund unserer Jungen Huldvollen, erzählt uns mehr über die Wüste und diese idyllischen Temperaturen …«
Oksa gönnte sich gerade eine kurze Pause, als ihre Gedanken zu ihrem Granuk-Spuck schweiften, das sie noch nicht verwendet hatte. Sie rannte schnell in ihr Zimmer, um es zu holen, und untersuchte es zusammen mit Gus.
»Es funktioniert nicht!«, rief sie, als sie Dragomira und Leomido herbeikommen sah.
»Natürlich nicht, meine Duschka. Deine ganzen Versuche bringen nichts, solange dein Granuk-Spuck leer ist«, verkündete Dragomira. Sie sah die beiden Freunde an, zögerte und fragte dann: »Wollt ihr eine kleine Vorführung sehen?«
Sie nickten eifrig. Da holte Dragomira ihr eigenes Granuk-Spuck aus den Falten ihres weiten Kleides und sagte leise: »Reticulata!«
Dann pustete sie leicht in das Rohr und eine Art Blase, schwabbelig wie eine Qualle, quoll an dessen Ende heraus.
»Schaut her«, sagte Dragomira und bat die Kinder, zum Fenster zu kommen.
Gus und Oksa stellten zu ihrem Erstaunen fest, dass die Reticulata alles in ihrem Blickfeld hundertfach vergrößerte, von den zarten Blüten des Heidekrauts bis zur winzigsten Ameise, die zwischen den Grashalmen hindurchhuschte.
»Wow! Toll!«, rief Oksa.
Dragomira schwenkte die große Blase und der Plemplem kam in Sicht. Nun konnten die beiden Freunde jedes Detail der Haut des Geschöpfs untersuchen, als würden sie es unter einer Lupe sehen – jede Pore, jedes flaumige Härchen, das kleinste Fältchen erschien ihnen in vielfacher Vergrößerung.
»Möchtest du es mal versuchen?«, fragte Dragomira, der Oksas Begeisterung nicht entgangen war.
»Darf ich? Wirklich?«
»Ja, du darfst. Ich werde dir ein paar Granuks geben, meine Kleine. Doch merke dir, dass du sie als Einzige benutzen kannst, wenn sie erst in deinem Granuk-Spuck sind«, erklärte Dragomira mit einem liebevollen Blick auf Gus.
»Keine Sorge, ich bin und bleibe der treue Assistent der Jungen Huldvollen«, versicherte ihr Gus in resigniertem Ton. »So schlecht ist das übrigens gar nicht«, fügte er hinzu und schlug die Augen nieder.
»Oh, meiner Meinung nach bist du sehr viel mehr als das«, entgegnete Dragomira.
Dann hielt sie ihr Granuk-Spuck neben das von Oksa und rief eine Reticulata. Das Körnchen fiel in ihre Hand und wurde gleich darauf von dem Granuk-Spuck ihrer Enkelin aufgesogen.
»Hier ist dein erstes Granuk, Oksa. Wenn du es aktivieren willst, musst du folgende kurze Formel aufsagen:
Mit Granuk-Kraft
Ergieß deinen Saft,
Reticulata, Reticulata! –
Und das Ferne sei mir nah!«
Oksa wiederholte die Formel brav.
»Wenn du sie einsetzen willst, brauchst du nur ihren Namen auszusprechen, sei es leise, sei es in Gedanken. Das Zweite ist noch besser, glaub mir. Vor allem in einem Notfall oder wenn du dich gegen einen Angriff verteidigen musst. Laut ausgesprochen würde der Name deinem Gegner einen wichtigen Hinweis geben, durch den er deinen Angriff möglicherweise parieren könnte. Im Moment ist dies nicht weiter schwer, zumal die Reticulata ein einfaches Hilfsmittel ist, das nicht in die Kategorie der Angriffs- oder Verteidigungsgranuks fällt. Aber stell dir vor, du hast zehn oder zwanzig unterschiedliche Granuks: Wenn du sie in dein Granuk-Spuck lädst, musst du für jedes von ihnen die Formel aufsagen, durch die es aktiviert wird. Danach musst du dich an jeden einzelnen Namen erinnern und vor allem an ihre jeweilige Funktion. Abakum hat dir bereits einige genannt, nicht wahr?«
»Ja, das Dormodens und das Stickarax.«
»Was?«, rief Leomido entsetzt. »Du kennst das Stickarax?«
»Nur dem Namen nach«, entgegnete Oksa.
»Deine Großnichte ist sehr neugierig und hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis, weißt du?«, sagte Dragomira. »Ihr entgeht nichts.«
Oksa spürte, wie sie rot wurde, und sie warf Gus einen Hilfe suchenden Blick zu. Der lächelte nur und zuckte mit resignierter Miene die Achseln.
»Es stimmt allerdings, dass wir uns schon früher immerzu etwas einfallen lassen mussten, damit du
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