Oliver Hell - Das zweite Kreuz
Mülleimer wühlen musste? Noch bevor er dort ankam, zog er ein Paar Untersuchungshandschuhe aus der Tasche und streifte sie über.
Dort war er. Der Mülleimer. „Scheiße“, sagte er leise vor sich hin, als er sah, dass der Eimer prallvoll war. Er beendete das GPS-Programm, was ihm dann noch betätigt hatte, das er am korrekten Ort angekommen war. Stattdessen machte er einige Fotos von dem Mülleimer. Darauf lag Schnee. Er fegte den Schnee von den Flaschen, die zuoberst lagen. Nahm sie heraus. Darunter lag eine Plastiktüte. Die zog er vorsichtig heraus und schaute hinein. Darin lag eine vergilbte Zigarrenkiste. Er legte beides auf den Boden, machte ein Foto. Die Kiste war mit einem Gummi geschlossen. Klauk zögerte. Sollte er die Kiste öffnen? Wenn sich darin eine Sprengvorrichtung befand? Er hob die Kiste wieder auf, packte sie zurück in die Plastiktüte und schlug die Plastiktüte wieder ein. Dann nahm er die Flaschen und legte sie zurück in den Mülleimer.
Plötzlich hörte er von hinten eine Stimme. „Das wollte ich aber auch meinen, junger Mann. Wenn sie hier schon im Müll wühlen, dann räumen Sie bitte wieder auf.“
Er drehte sich um. Die Frau, die auf der Bank saß, hatte ihn angesprochen. Sie sah ihn giftig hinter einer Brille aus Panzerglas an.
„ Ja sicher“, sagte er und zog seine Dienstmarke hervor, „Sind sie schon länger hier? Ist Ihnen jemand aufgefallen, der diese Plastiktüte in den Eimer gelegt hat?“
„ Seit wann wühlt denn die Polizei im Müll?“, fragte die alte Frau zickig.
„ Wir wühlen immer im Dreck. Und meist finden wir auch etwas. Haben Sie jetzt was gesehen?“
„ Sind Sie mal ein wenig freundlicher, junger Mann“, zeterte die Alte weiter.
Klauk hatte keine Lust auf so eine Diskussion. „Mir ist kalt. Ich muss zurück ins Präsidium. Es kann sein, dass das hier eine Bombe ist. Sie dürfen mich auch gerne dahin begleiten und ihre Aussage bei einem Kollegen machen, der Ihnen gefällt. Möchten Sie das?“, fragte er mit einem betont genervten Ton.
Als die Alte das Wort Bombe hört, rutschte sie aufgeregt auf ihrer Bank hin und her. „Nein, ich sitze seit einer Stunde hier. In der Zeit war niemand hier. Bombe? Habe ich das richtig gehört?“
„ Ja, haben Sie. Ja, Bombe hatte ich gesagt. Und vielen Dank für die freundliche Auskunft, liebe Frau“, sagte Klauk und hörte im Gehen noch, wie die Alte etwas hinter ihm herrief.
Leute gibt’s. Er kniff die Augen zusammen, denn es fing gerade wieder an, zu schneien. Sogar heftig.
Eine gute halbe Stunde später lag die Zigarrenkiste unter dem Röntgenapparat in der KTU. Julian Kirsch betrachtete das Röntgenbild.
„ Nein, da ist keine Verkabelung zu sehen, keine Batterie, nix, was als Zünder agieren könnte. Nein, die können wir so öffnen. Es scheint nur Organisches darin zu sein.“
Man sah in Blau die Scharniere und die metallene Schließe aufleuchten, der Rest war hell Orange.
Kirsch ließ die Kiste unter dem Röntgenapparat hervorfahren. Er nahm sie heraus, löste das Gummi und klappte die kleine Schließe auf. In der Kiste lagen Sägespäne. Er strich sie zur Seite. Darunter tauchte eine Fotografie auf. Darauf war nichts weiter zu erkennen, als gefesselte Hände.
Kirsch nahm das Foto vorsichtig heraus.
„ Das ist noch richtiges Fotopapier. Da hat einer Geschmack und zieht noch selber ab.“
„ Das passt ja“, antwortete Klauk, dem in diesem Moment klar wurde, dass sie nun einen neuen Fall hatten.
„ Wieso?“
„ Wir haben heute ein Kuvert bekommen, in dem sich nur ein Zettel mit ein paar Koordinaten befand. An der Stelle, die die Koordinaten angaben, habe ich diese Kiste gefunden. In einem Mülleimer in der Rheinaue. Ich bringe euch nachher das Kuvert und den Zettel.“
„ Klingt alles etwa mysteriös, oder?“
„ Hmh. Denke ich auch. Da will uns einer auf eine Spur lenken. Nur welche?“, sagte Klauk und starrte auf die gefesselten Hände.
„ Gibt es heute gemeldete Entführungen?“, fragte Kirsch.
„ Kannst Du mal eben nachschauen, bitte.“
Kirsch schüttelte den Kopf, nachdem er sich kurz vor den Bildschirm gesetzt hatte, um die neuesten Meldungen zu checken. „Nichts.“
Klauk zückte sein Handy und fotografierte die Kiste mitsamt dem Foto.
„ Ok, danke dir. Ich schicke nachher das Kuvert rüber. Bis dann.“
*
Christina Meinhold schloss ihre Augen erneut. So konnte sie sicher sein, nicht das Pochen hinter ihren Augen wieder heraufzubeschwören. Neben dem Bett, indem
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