Oliver Hell - Das zweite Kreuz
zusätzlich noch einen Niesanfall.
„ Ist in Ordnung, ich habe verstanden“, antwortete Hell. Er merkte, dass irgendetwas in seinem Kopf rauchte, und beendete das Gespräch. Etwas lauerte darauf gesagt zu werden. Es wäre durchaus möglich gewesen, dass er etwas Unbedachtes gesagt hätte.
Männer verschwanden nicht einfach. Vor allem nicht, wenn sie von Seminaren zurückkamen. Aber Gauernack ging ihm auf das Gemüt. Seitdem Brigitta Hansen seine Vorgesetzte war, stürzte seine ohnehin schon immer schlechte Laune in ungeahnte Tiefen ab. Was auch immer er gegen diese Frau hatte, ihr zeigte er es nicht. Er ließ es alle um sich herum spüren. So wie eben auch. Er hatte zwar Recht, aber ein Staatsanwalt mit Weitblick hätte eine kurze Ermittlung eingeleitet. Pro forma.
Egal. Wenn Klauk und Rosin wieder zurück waren, würde er ihnen klarmachen, dass die Ermittlung schon beendet war. Nein, er würde es sofort tun.
„ Klauk, ich habe mit Gauernack telefoniert. Er sieht keinen Fall. Kommt bitte zurück, oder besser noch, fahrt zu Christina und grüßt sie bitte ganz lieb von mir.“ Das war der Text, den er in einer SMS an Klauk schickte.
Wie er erwartet hatte, keine fünf Sekunden später hatte er Klauk am Telefon.
„ Nein, oder? Dieser Gauernack hat einen an der Waffel. Sorry, Chef, das geht gar nicht“, sagte Klauk bitter.
„ Ich kann da nichts dran machen. Wenn er das abdeckelt, dann können wir nichts daran ändern. Im Umkehrschluss steht er dafür gerade, wenn es sich als Fehler herausstellt.“
„ Naja, dann machen wir für heute Feierabend. Ist zwar sehr früh, aber wir haben ja noch einen Außeneinsatz bei Chris. Wir grüßen von Ihnen, Chef. Ist doch klar“, sagte Klauk schon wieder versöhnlicher.
„ Alles klar, bis morgen. Grüß Lea.“
Gedankenversunken legte er das Telefon weg. Wenn Gauernack Ermittlungen nach der Statistik führen wollte, sollte er doch. So dachte Hell. Und der Fall, der kein Fall war, landete in der Schublade.
*
Mit einem Taschentuch vor der Nase öffnete Meinhold die Türe. Anstelle einer Begrüßung kriegte sie nur einen Niesanfall heraus, gefolgt von einem Hustenanfall. Als sie wieder sprechen konnte, krähte sie, dass sie die Kollegen nicht anstecken wolle. Rosin fand, dass ihre Nase ins Guinness-Buch gehörte. Sie bestätigte, noch nie eine solche Rotznase gesehen zu haben, in ihrem Leben.
„ Sehr freundlich, Lea. Danke für die aufmunternden Worte.“
Klauk hielt sich im Hintergrund. Er wirkte auf Bazillen und Viren wie ein Magnet. „Sag mal, hast Du eine Einkaufsliste? Ich gehe dann einkaufen, Lea baut dich weiter mit ihren Sprüchen auf, wenn das ok ist für dich?“
Meinhold schaute verdutzt. „Mist, das hätte ich schon machen können. Nein. Milch, Brot, Käse, einen Erkältungstee, meiner ist beinahe alle, und ein paar Dosen mit Fertiggerichten. Ich habe keine Lust lange zu kochen. Wenn das geht, Sebi?“
Der nickte nur.
„ Ah, Geld. Moment“, sagte Meinhold.
„ Schon gut, das Geld kannst Du mir später geben. Ich ziehe dann mal los“, sagte Klauk und hatte schon die Türklinke wieder in der Hand. Bloß kein Risiko eingehen. Tür zu. Flucht.
Christina setzte sich auf ihr Sofa im Wohnzimmer neben einen beinahe haushohen Haufen Tempotaschentücher.
„ Wie gefällt es dir denn in der Truppe?“, näselte Christina.
„ Sehr gut, alle haben mich super aufgenommen. Vor allem Sebi. Der ist echt ein Schatz. Wendt hat mir das Leben gerettet. Oder so ähnlich. Naja, immerhin hat er mich ins Wasser bugsiert, bevor der Benzinkanister hochging.“
„ Ja, so sind sie“, sagte sie nickend, „Und Hell?“
„ Da kann ich auch nicht klagen. Manchmal ist er streng, dann wieder väterlich besorgt. Er ist wie ein Brummbär, manchmal knöttert er los, aber nach ein paar Minuten ist es wieder gut. Und fachlich macht ihm keiner was vor.“
Meinhold bekam einen Schweißausbruch, und versuchte zu verbergen, wie unangenehm es ihr war. Rosin überlegte, ob sie ihr von dem neuen Fall, der kein Fall war, berichten sollte. Sie entschied sich dagegen.
„ Und bei dir? Wie läuft es im Lehrgang?“, fragte Rosin. Meinhold blickte sie triefäugig an. Aus ihren Augen leuchtete das Fieber. Rosin fand, es sah nach mindestens vierzig Grad aus.
„ Ja, eigentlich ganz gut. Der Stoff ist interessant, die Leute sind teilweise ein wenig dröge.“
„ Niemand fürs Herz dabei“, fragte Rosin mit einem verschmitzten Grinsen auf den Lippen.
„ Nein, Fehlanzeige. Da ist
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