Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
sich an der Wand abstützen und warten, bis der rote Schleier vor seinen Augen verschwunden war.
Unterdessen stellte die Madame das Wasser warm und duschte Rod gründlich ab. Danach holte sie eine kleine Ampulle aus ihrer Jackentasche und eine verpackte Einwegspritze.
„Wie?“, fragte Ondragon erstaunt. „Kein Voodoo-Zauber? Kein Wabuwabu?“
Die Madame sah ihn mit einem verschwörerischen Lächeln an. „Nur für Sie, Monsieur Ondragon, enthülle ich jetzt mein Geheimnis. Ich hoffe, Sie erkennen diese Ehre an und versprechen mir, darüber zu schweigen wie ein Grab.“
Ondragon unterdrückte ein belustigtes Lachen. „Ähm, ja, natürlich. Ich verspreche es.“ Er hob zwei Finger und verzog schmerzverzerrt das Gesicht. Im Geiste tastete seine Hand nach dem Zündschlüssel des Mähdreschers und versuchte, den Motor der Höllenmaschine abzuwürgen.
„Gut.“ Die Madame stach die Nadel durch die Membran der Ampulle und zog die Spritze mit der klaren Flüssigkeit auf. Sie schnippte mit dem Finger gegen die Kammer, drückte die Luft hinaus und injizierte den Inhalt mit einer schwungvollen Bewegung in Rods Oberschenkel. Danach warf sie die Spritze weg und sah Ondragon an.
„ Voilà. Jetzt müssen wir nur noch warten. In der Zwischenzeit erkläre ich Ihnen meine Magie.“ Sie musste selbst leise lachen. Es war ein warmes Geräusch, das Ondragon mochte. „Und sperren Sie Ihre Ohren schön auf. Vielleicht brauchen Sie das Wissen über die Behandlung eines Zombies ja irgendwann selbst noch einmal.“
Sie begann sich unter dem Wasserhahn im Waschbecken die Schmiere von den Armen zu waschen. „ Alors , es gibt zwei Antidote für das coup poudre, die sich auf wundersame Weise in einer Pflanze vereinen. Nämlich der Datura Stramonium. Einer von den beiden Wirkstoffen ist das Scopolamin, das in kleinen Dosen als Gegenmittel wirken kann. Verabreicht man davon jedoch zu viel, so verliert der Betroffene seinen Verstand und wird tatsächlich zu einem Zombie. Nimmt man aber das hier“, sie hob die Ampulle, und Ondragon las das Etikett, „kann man sicher sein, dass der Betroffene wieder zu sich kommt und die Lähmung nachlässt.“
„Atropin?“
„Ja, es beschleunigt den Herzschlag und weitet die Bronchien. Und in dieser extrahierten Form kann es auch viel exakter dosiert werden, als wenn man mit Pflanzenpräparaten arbeitet.“
„Verstehe“, sagte Ondragon und seufzte erleichtert auf. In seinem Hirn gab der Mähdrescher endlich hustend seine letzten Zuckungen von sich und verstummte kurz darauf ganz. „Und wo haben Sie das Atropin her? Das bekommt man sicher nicht in der Drogerie.“
„Sie erinnern sich an den Arzt, der keine Fragen stellt?“
„Hm, ich sehe, Sie sind gut ausgerüstet.“
„Das ist mein Job!“ Sie zwinkerte ihm zu, und Ondragon grinste. Plötzlich öffnete sie den Mund und rief: „Oh, na sieh mal einer an, da ist ja jemand wach!“ Sie wandte sich an Rod, der splitterfasernackt in der Wanne lag und mit geweiteten Pupillen aufgeregt blinzelte. Sein Mund klappte zu, und ganz allmählich wich auch die bläuliche Färbung aus seinem Gesicht. Seine Finger und Zehen begannen sich zu bewegen, und unkontrolliert zuckend folgten seine Arme und Beine. Schließlich erfasste ein heftiges Zittern den ganzen Körper und schüttelte Rod kräftig durch, so als taue er nach einer langen Zeit des Tiefgekühltseins schlagartig wieder auf.
Die Madame nahm seine Hände zwischen die ihren und rieb sie fest. Dabei murmelte sie auf Kreolisch einige beschwörende Formeln.
Ganz ohne Magie schien es bei ihr dann doch nicht zu gehen, dachte Ondragon und sah, wie sich Rods Mund öffnete und seine Zunge versuchte, die ersten Worte zu formen. Gebannt schauten sie ihn an.
„W-wo sss-s-innnnd m-m-meieieine Kl-aaa-m-m-otten, goooddaaammm ?“
Ondragon grinste amüsiert. „Warte, alter Freund, ich hol dir was.“
Suchend ging er durch die Wohnung des Reverends. Im verspiegelten Schlafzimmer fand er einen Schrank voll mit Soutanen. Er fischte eine vom Bügel und brachte sie ins Bad. Mit Hilfe der Madame holte er Rod aus der Badewanne und streifte ihm das Gewand über den Kopf.
Auf wackeligen Beinen stand der Brite da und stierte sie an. „M-mann, d-das hat ab-ber scheißl-lange gedauert! Wisst ihr, w-wie b-beschhhissssen sich das anfühlt, s-sich nicht bewegen zu können, a-aber alles mitzubekommen?“
„Das kann ich mir vorstellen“, sagte Ondragon, um sich gleich darauf zu korrigieren. „Sorry, ich nehm‘s
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