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One: Die einzige Chance (German Edition)

One: Die einzige Chance (German Edition)

Titel: One: Die einzige Chance (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Elsäßer
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es, was es wolle. Er würde sie töten und dann … Was dann? Unvermittelt blieb er stehen. Ja, was eigentlich? Das Restaurant. Natürlich das Restaurant, aber warum wollte er unbedingt in diesem Land bleiben? Hing er denn gar nicht an seinem Vaterland? Jetzt, wo Argentinien wieder eine Demokratie hatte, jetzt, wo es wieder bergauf ging, könnte er seine Pläne doch auch dort umsetzen, in seiner Heimat. Ja, es war unbestritten: Argentinien war seine Heimat. Und jetzt konnte er als Gewinner zurückkehren. War es nicht der Traum eines jeden Auswanderers, der seine Heimat nur der Arbeit wegen verließ, eines Tages als Sieger zurückzukehren?

    Samuel saß auf der Rückbank und starrte nach hinten. Keine Verfolgungsjagd. Keine Schüsse aus einem fahrenden Auto. Nur die Straßenlaternen, die das kaltweiße LED-Licht wie ein engmaschiges Netz über den Asphalt spannten.
    Sie ließen die Stadt hinter sich und folgten einer ansteigenden Landstraße, die sich wie ein unbegradigter Fluss durch eine Tannenschlucht und von dort aus hinauf in die Berge wand. Die Musik lief leise im Hintergrund.
    »Die werden uns nicht verfolgen«, sagte Fabienne. »Müssen selber schauen, nicht von den Bullen geschnappt zu werden.« Fabienne hatte wie eine Gangsterbraut aus dem Wagen geschossen und ihm damit wahrscheinlich das Leben gerettet. Die Waffe lag nun neben ihr auf dem Sitz.
    »War die Pistole für mich bestimmt?«, fragte er. Der Streifschuss am Arm war kaum der Rede wert. Ein Kratzer, der bald schon verheilt sein würde.
    »Ja, aber nicht, um auf dich zu schießen. Es ging nur darum, dich einzuschüchtern, falls du dich wehrst. War nur zur Abschreckung.« Sie drehte sich nach hinten. »Was ist mit deinem Arm? Hast du was abgekriegt? Soll ich anhalten?«
    »Ist nur ein Kratzer.«
    Badawi kletterte benommen von seinem Schoß, sprang in den dunklen Fußraum hinter dem Beifahrersitz und verschwand in der Transportbox. Wahrscheinlich stand auch er unter Schock.
    »Hättest du auch auf mich geschossen?«, fragte Samuel, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten.
    »Nein. Natürlich nicht.«
    »Meine Entführung war also der einzige Grund, weshalb mein Vater in die Schweiz geflogen ist? Um euch die weiterführenden Pläne für One zu besorgen und mich freizukaufen?«
    Fabienne nickte. »Pablo hatte seine Nummern und die deiner Mutter auf deinem Handy gesperrt und deine Anrufe auf die Mailbox umgeleitet. Darum konntest du ihn auch die ganze Zeit nicht erreichen.«
    »Das sagst du mir jetzt!«, zischte Samuel.
    »Ich weiß, es war ein Fehler. Die ganze Entführung war ein Fehler. Man kann Menschen nicht dazu zwingen, anderen zu helfen, wenn sie es nicht wollen.«
    »Halt an!«, sagte Samuel.
    »Was ist?«
    »Hörst du das nicht?«
    »Was denn?«
    »Bitte halte an!«
    »Gleich. Hier ist es schlecht. Wenn einer um die Kurve kommt, schießt er uns direkt hinten rein.« Die Straße machte eine enge Kehre. Dahinter stieg sie noch steiler an. Das Automatikgetriebe schaltete in einen niedrigeren Gang, der Motor jammerte kurz auf, um das tonnenschwere Gefährt den Anstieg hinaufzuziehen. Nach der Kehre folgte eine längere Gerade. Ein Schild kündigte einen Parkplatz an. Die Einfahrt war im Licht der Scheinwerfer kaum zu erkennen. Aus der Finsternis schälten sich die Umrisse eines Autos heraus. Ein Porsche Cayenne. Es sah verlassen aus. Vielleicht stand der Fahrer im Schatten seines Gefährts und pinkelte in die Büsche. Fabienne parkte einige Meter dahinter
    »Hörst du es immer noch?«, fragte sie.
    Samuel nickte. Er hatte das Geräusch geortet. Es kam von Badawi. Sein Freund atmete schwer. Schleifend, keuchend wie ein alter Mann. Die Innenbeleuchtung ging an. Samuel beugte sich hinunter zur Transportbox.
    Da war Blut. Eine Spur aus Blut. Es hatte ihn beim Schusswechsel erwischt!
    Das Fell des Katers zitterte. Behutsam holte Samuel seinen Freund aus der Box. Doch sein Jammern, dieses schreckliche Geräusch, war kaum auszuhalten.
    »Scheiße!«, sagte Fabienne, nachdem sie die hintere Tür aufgezogen hatte und das blutverklebte Fell erblickte. Sofort schaute sie sich die Wunde an. Das Projektil hatte das Fell an der Eintrittsstelle im Rücken regelrecht aufgerissen. Wahrscheinlich hatte sich die Munition tief in die Eingeweide gebohrt. Blut sickerte heraus. Es war nicht zu stoppen. Das Zittern von Badawis Körper wurde unablässig stärker, als würde jemand den Regler eines Transformators Millimeter für Millimeter aufdrehen. Eine Foltermethode. Das

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