Oneiros: Tödlicher Fluch
Peilsender? Ich verspreche auch, dass ich niemandem verrate, dass ich Sie entdeckt habe.« Sie hob langsam den Arm und rieb sich den Nacken, um mit der Hand näher an ihre Haarnadel zu gelangen. Die Attacke musste sehr schnell vonstattengehen, damit sie durch die Privatabfertigung gelangte, bevor der Flughafen in Aufregung geriet. Dank Arctander und seinen Anfällen herrschte sogar in Minsk höchste Alarmstufe, da niemand einschätzen konnte, was es mit den unvorhersehbaren Terroranschlägen auf sich hatte.
»Sehr witzig«, sagte die Agentin am Zeitungsstand. Ihre schwarzhaarige Kollegin sicherte unauffällig die Umgebung.
»
Sie
sollten besser gar nichts sagen. Schließlich sind Sie schuld, dass wir hier reichlich bescheuert herumstehen, weil Sie Anfängerfehler machen. Ein Dilemma: Sie können Ihren Auftrag nicht zu Ende führen, und ich muss überlegen, wie ich mit Ihnen ins Geschäft komme«, schnauzte Kristin sie an – und zog die Haarnadel aus der Lederlasche. Sie stach dem Mann durchs Auge, der wie vom Blitz getroffen zusammensackte. An seine Beretta war er nicht mehr gelangt.
Der schwarzhaarigen Frau versetzte Kristin einen Ellbogencheck gegen den Hals, so dass sie röchelnd rückwärtstaumelte und in den Zeitungsstand fiel. Gleichzeitig stach sie mit der Nadel in den Bauch der anderen Agentin. Der Stich war nicht tief genugum sie zu töten, doch darum ging es auch gar nicht. Er sollte sie ablenken, während Kristin in deren Holster griff, die Pistole entsicherte und zweimal abdrückte, ohne die Waffe zu ziehen.
Die Kugeln drangen der Frau schräg in den Oberkörper.
Dann schrie Kristin gellend um Hilfe und zeigte auf das Trio. »Terroristen! Terroristen!« Dabei ging sie rückwärts und fädelte die Nadel in den Stoff der Innenseite des Mantels.
Die Menschen flohen bereits, das Knallen hatte sie aufgescheucht.
Kristin tauchte in der Masse unter, gelangte ungesehen durch die Abfertigung und eilte hinaus auf das Rollfeld, geradewegs auf ihren Jet zu. Was sich im Flughafen unterdessen abspielte, kümmerte sie nicht. Und für wen die Agenten arbeitet auch nicht. Es waren beseitigte Hindernisse.
Sie stieg in die Maschine, schloss die Luke und ging ins Cockpit.
Auf die üblichen Checks verzichtete sie und verlangte sofortige Startfreigabe vom Tower, die sie umgehend erhielt. Sankt Petersburg wartete. Eugen wartete und freute sich, den Jet zu sehen, der seiner Mutter gehörte. Danach standen etliche Namen auf Kristins straffer Zu-erledigen-Liste. Diverse Todesschläfer, die sie einsammeln musste, damit Smyrnikov auch in Zukunft genug Material zum Testen und Experimentieren hatte. Das Gespräch mit ihrem Ex hatte sie ebenfalls noch zu führen.
Viel zu tun für jemanden, dem die Zeit davonläuft,
dachte sie und startete die Turbinen.
Frankfurt am Main, Deutschland
Konstantin hatte sich in einer ruhigen Ecke des Frankfurter Flughafens in ein Bistro zurückgezogen, um Boulers Unterlagen durchzuschauen. Es war eine Eingebung gewesen, seine Reise nicht nach Hause fortzusetzen. Weil er sich am größten deutschen Flughafen befand, konnte er von hier aus – je nach Erkenntnissen – sofort zu den verschiedensten Orten aufbrechen. Sein Laptop stand aufgeklappt auf dem Tisch. Das Internet war die größte Informationsschleuder der Gegenwart, die er zu nutzen gedachte.
Bouler hatte sein Smartphone erfreulicherweise nicht gesperrt. Konstantin wühlte sich bei einem Wasser und einem Espresso durch die SMS , Mails und Kontakte des dubiosen Antiquitätenhändlers.
Er erinnerte sich an den kurzen Wortwechsel mit dem Mann.
Interpol schien dicht an ihm dran gewesen zu sein wegen Diamanten. Denen in den Ringen? Oder handelte er mit gestohlener Ware? Schmuggelte er afrikanische Blutdiamanten?
Die meisten Nachrichten waren belanglos, manche lustig, wie zum Beispiel die Anweisung an eine Lady Rousseau, an diesem Abend Männerkleidung zu tragen und sich einen Schnurrbart aufzumalen.
Bouler hatte exotische Vorlieben, wie es aussieht.
Einen Hinweis auf Diamanten fand Konstantin nicht. Das Kürzel SH erschien selten, aber regelmäßig, wobei die Botschaften kryptisch genug waren, um sie interessant zu machen: Zahlenkombinationen, abgetrennt durch Kommas und Schrägstriche.
Konstantin vermutete dahinter einen Code, der an einen bestimmten Schlüssel wie ein Buch gekoppelt war. Ohne den Schlüssel brauchte er sich gar nicht erst an einer Lösung zu versuchen.
Da SH eine Geheimnummer benutzte, suchte er die Buchstaben
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