Oneiros: Tödlicher Fluch
Duftbäumchen aus. Arctander studierte derweil den Stadtplan und suchte die kürzeste Strecke, dabei aß und trank er etwas. Allerdings brachte auch das kaum Farbe in sein Gesicht zurück, er sah aus, als könnte er jeden Moment umfallen. Die Gehirnerschütterung hatte seinen Zustand nicht gerade verbessert.
»Du solltest dich frisch machen. Sie haben eine Fernfahrerdusche hier«, empfahl Konstantin. »Du siehst aus wie ein Penner.«
»Ich habe nicht die Nerven, jetzt noch zu duschen.«
»Und du
riechst
wie ein Penner. Willst du, dass Sastre grün anläuft, wenn ihr dein Gestank in die Nase steigt?«
Arctander sah zur Tankstelle, dann an sich herab und senkte den Kopf, um an sich zu riechen. »Gibt es da drin auch Klamotten?« Er drückte drei Tabletten aus seinem Dispenser und steckte sie sich in den Mund, spülte sie mit Limonade hinunter.
Konstantin nickte und warf ihm ein paar Scheine über das Autodach zu. »Ich warte solange … oder soll ich mitkommen?«
»Nein. Es geht mir ganz gut«, gab er zurück und schob den Stadtplan zu Konstantin. »Ich habe eine Strecke mit dem Stift markiert.« Arctander ging zur Tankstelle und verschwand um die Ecke, wo die Toiletten lagen.
Konstantin sah ihm nach und musste gegen den Drang ankämpfen, ihm zu folgen und darauf zu achten, dass er keinen Anfall bekam – oder den Anfall mit einem gezielten Hieb gegen den Kopf in eine Ohnmacht zu verwandeln.
Irgendwann bekommt er davon einen bleibenden Schaden.
Er würde die Ärztin um Chloroform oder etwas in der Art bitten.
Konstantin sah sich die Route an. Ein kleiner Kringel kennzeichnete die Praxis von Isabella Dolores Sastre. Arctander vertraute ihm, da er ihm die Adresse überließ, während er selbst zum Duschen ging. Es waren noch etwa fünf Kilometer bis zu ihrem Ziel.
In weniger als einer halben Stunde würde sich entscheiden, ob er und Arctander einer falschen Hoffnung nachgejagt waren, basierend auf Märchen und Legenden. Oder ob sich der Schnitter der Frau tatsächlich zeigte und man mit ihm verhandeln konnte.
Gott, was würde ich darum geben!
Konstantin nahm sein Handy hervor, wollte Iva anrufen – und entschied sich doch dagegen. Bald sähe er sie von Angesicht zu Angesicht, hielte ihre Hand und verbrächte vielleicht sogar die Nächte bei ihr, ohne sich davonstehlen zu müssen.
Ich werde neben ihr liegen, sie in meinen Armen halten und einschlafen.
Der Gedanke war überwältigend.
Ich freue mich so sehr darauf!
Sein Handy piepste, er hatte eine SMS erhalten.
Sie stammte von Jester: DU HAST MEIN VERTRAUEN MISSBRAUCHT . BRING MIR DEN NARKO, UND ICH VERGESSE , WAS DU GETAN HAST , ALTER KNABE .
Bestimmt nicht. Ich befreie dein Spielzeug von seinem Fluch.
Konstantin verzichtete auf eine Antwort.
Er nahm den Akku und den Chip aus dem Smartphone und verstaute alles einzeln in seinen Taschen. Beinahe hätte er vergessen, dass man ihn orten konnte.
Arctander kehrte zurück, die Haare noch nass, in einen Trainingsanzug des FC Barça gekleidet. »Sie hatten nichts anderes. Aber das verschafft uns bei der Ärztin sicherlich Pluspunkte.«
Konstantin dachte an die Toten im Fußballstadion. Dass der Narkoleptiker ausgerechnet ein Trikot trug, befremdete ihn. Er stieg wortlos ein, Arctander nahm neben ihm Platz, und sie fuhren los, der ausgesuchten Route folgend.
Zweimal verloren sie die Orientierung, doch mit einigen vorschriftswidrigen U-Turns gelangten sie an ihr Ziel. Konstantin war inzwischen so aufgeregt, dass er vergaß zu fragen, woher Arctander die Gewissheit nahm, dass Sastre eine Todseherin war.
Die Praxis war in einem Altbau untergebracht, im Nordwesten der Stadt.
Es erinnerte von außen an ein Hotel. In dem imposanten Gebäude waren laut einem großen Plexiglasschild im Vorgarten neben
Prof. Dr. med. I. D. Sastre, Allgemeinmedizin & Homöopathie
noch eine Massagepraxis, ein Fitnessstudio und eine Unternehmensberatung untergebracht.
Konstantin parkte auf einem der Stellplätze des Fitnessstudios. Sein Herz schlug immer schneller und schneller. »Alles klar bei dir, Bent?«
»Ich bemühe mich«, erwiderte Arctander unsicher. »So ziemlich alles, was ich gegen die Krankheit einwerfen kann, ist in meinem Blut. Aber ich kann nichts versprechen.« Er atmete tief ein und aus. »Notfalls muss sie eingreifen.«
Sein letzter Satz gefiel Konstantin nicht. »Reiß dich zusammen.«
Sie stiegen angespannt aus und liefen zum Hauseingang. Durch die Lobby ging es zu einem Glasaufzug, der sie ins vierte
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