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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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»dringend Kohle«, Dicker. Wenn man Kohle braucht, hat man zig Optionen. Man macht einen ehrlichen Bruch. Man geht mit einer Beretta zur Bank. Man – was weiß ich. Aber eins macht man auf keinen Fall: Freunde verarschen. Seine Freunde verarscht man nicht, du Pansen, du. Kohle gibt’s genug auf der Welt, Freunde nicht. Mein bester Freund, am Arsch. Du warst unser Gast, Dicker. Schämst du dich gar nicht, Dicker? Auch Fiona gegenüber?

UT2:  Aber die hatte doch sowieso die Nase voll von Queckenborn! Hat sie mir zumindest erzählt! Die war voll verknallt in dich, nicht wahr. Außerdem hätte ich nie geglaubt, daß der ihr tatsächlich den Laufpaß geben wollte. Ich hab nur gedacht, der will was gegen sie in der Hand haben, um sie noch fester zu binden. Der hat geflennt, als er mir den Auftrag gab! Aber daß der so link ist, das Foto an die HEZ –

UT1:  Was?

UT2:  Wie, was. An die HEZ , also das Foto an die HEZ –

UT1:  Mein bester Freund, Dicker. Der beste Freund, den ich je hatte. Ich hab dir Sachen erzählt, die ich noch nie jemandem erzählt hab. Am Arsch mein bester Freund. Miese, dreckige Ratte, das bist du. Am liebsten würd ich dir nicht eine Waschmaschine auf den Rücken tätowieren. Am liebsten würd ich dir einen ganzen Käfig voller schwuler Pudel auf den Rücken tätowieren. Und zwar mit dem hier.
    Er tippt mit der Zeigekralle der linken Reptilpranke auf die Spitze der blutverschmierten Panzerklinge in seiner Rechten.
UT2:  Aber ich dachte, dir wär’ Queckenborn sowieso scheißegal, und –

UT1:  Mach mich nicht sauer, Dicker. Logisch ist mir Queckenborn scheißegal. Queckenborn. Queckenborn ist eine Pussy, Dicker. Eine feige, fette Arschvotze. Um Votzen wie den geht’s gar nicht, Dicker.

UT2:  Ich weiß, ich weiß. – Ich weiß. Ich meine, ich wußte das. War mir klar, nicht wahr? Und deswegen dachte ich: Tibor steht da drüber. Wenn Queckenborn ihm scheißegal ist, warum sollte er dann was dagegen haben, wenn ein Freund dadurch dringend nötige Kohle –

UT1:  Mach mich nicht sauer, Dicker. Wenn du mich sauer machst, schneid ich dir den Hals ab. Ich schwör’s dir, Dicker, ich säbel dir die Rübe ab, Dicker.
    Prinzip Scheherazade. Die Absicht des Mannes mit dem Bart, Zeit zu schinden, war mit Händen zu greifen. Andererseits hampelte der Hundertachtundzwanzig-Kilo-Hüne gleichsam in hundertachtundzwanzig Metern Höhe direkt überm Genick des Mannes mit dem Bart herum. Am letzten seiner Geduldsfäden.
    Es folgten rund anderthalb Minuten mehr oder weniger müdes Gezänk, vom Webmaster entweder aus Nachlässigkeit nicht geschnitten – oder aus leicht überfeinertem Gespür fürs Groteske: Der Mann mit dem Bart versucht, den Hünen davon zu überzeugen, daß Queckenborn ihm schriftlich bestätigt hat, das Foto von Tibor und Fiona keinesfalls Fiona vorzulegen.
    »Wie naiv bist du denn«, fragt der Hüne mit Recht. Der Mann mit dem Bart behauptet, das sei nur »zur Absicherung« gewesen. Aber daß er das Bild an die HEZ verscherbelt, das hätte er nie geglaubt. »Sag ich doch: naive Pussy du«, sagt der Hüne.
    Nun sagt der Mann mit dem Bart, schließlich habe er das Foto ja nicht von sich aus gemacht, sondern Fiona habe ihn, wenn sich der andere bitte erinnern möge, dazu aufgefordert. (Dabei benutzt er für den Begriff Kamera zweimal das Synonym »Apparillo«, und auch der Hüne übernimmt diese machismo-ironische Verschärfung eines harmlosen Alltagsbegriffs, die, wenn mich nicht alles täuscht, in den frühen 70er Jahren Konjunktur hatte – keine Ahnung, warum.) Der Hüne sagt (mit Recht), das gebe dem Mann mit dem Bart noch lange nicht das Recht, damit hausieren zu gehen. Der Mann mit dem Bart sagt, nein, aber zumindest sei das doch ein Beweis dafür, daß es nie seine Absicht gewesen ist, Fiona zu verarschen, und schon gar nicht ihn, den Hünen, zu verraten, oder?
    Gekeife. (Geschupfe.)
    Nach anderthalb Minuten jedoch ist der Hüne es müde. Es scheint ihm offensichtlich: Er wird keiner befriedigenden Antwort auf die zentrale Frage nach dem Verrat seiner Person teilhaftig werden. Erwartet auch keine mehr – jedenfalls keine, die er versteht, geschweige akzeptieren kann. Seine Bereitschaft zum Verständnis ist ohnedies überstrapaziert, und sein Lebensgefühl, ständig betrogen zu werden, wird wieder einmal übermächtig. Wann immer er Fragen gestellt hat in seinem Leben, hat er befriedigende Antworten missen müssen. Er ist es endgültig müde.
    Und so hört

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