Operation Genesis (Ein Delta-Team-Thriller) (German Edition)
hier aus wirkten sie noch mehr wie gezackte Speerspitzen als aus der Entfernung. Ein Ort, der seine Gefährlichkeit regelrecht hinausposaunte. Es war ein fantastischer Anblick, hinter dem sich jedoch eine innere Düsternis verbarg. Hatte es vielleicht einen Grund gegeben, warum die Menschheit sich gegen die Neandertaler wandte?
»Rauf«, befahl Weston, als sie am Fuß der Treppe angelangten. Jede Stufe war dreißig Zentimeter hoch und fünfzehn Zentimeter tief. Sie erklomm sie langsam, indem sie die Hände zu Hilfe nahm, um nicht nach hinten zu fallen.
»Was ist mit Ihrer Frau? Sie tragen einen Ehering.«
Weston blieb stehen. Sie sah sich nach ihm um. Sein Stirnrunzeln sagte alles: Dieses Thema war tabu.
Schnell schaltete sie um. »Was ist mit Ihrer Mutter?«
Als Weston antwortete, klang seine Stimme gelöster. »Meine Mutter … war ein Engel. Und eine gute Köchin. Aber alles andere als gesundheitsbewusst. Ihre Allheilmittel gegen jede Krankheit, von einer Erkältung bis zur übelsten Grippe, waren Apfelkuchen, Vanilleeis und Schokoladenfrappé. Es ist ein Wunder, dass ich bei all dem Zucker, der meinem Immunsystem den Garaus gemacht hat, nicht im Krankenhaus gelandet bin.«
»War sie Hausfrau?«
»Anfangs, bis mein Vater uns verlassen hat. Dann erinnerte sie sich an ihren Abschluss in Biologie und wurde Tierpflegerin im Zoo. Sie hat meine Liebe zur Natur geweckt.«
Am Kopf der Treppe angelangt blickte Sara in den gähnenden Rachen des Tempels. Der Gang erstreckte sich fünfzehn Meter weit und endete unter dem mittleren Turm. Mehrere Oberlichter schnitten Lichtwürfel aus dem Gang. Sie drehte sich zu Weston um, als er zu ihr aufschloss. »Welche Spezies hat sie gepflegt?«
»Gorillas. Prachtvolle Geschöpfe.«
»Hm«, meinte Sara. »Das ist schon eine Ironie.«
Sobald ihr Verstand das Wort registrierte, wurde ihr klar, was sie gesagt hatte, und sie schloss die Augen.
Zwei zu null.
»Was?« Weston blinzelte, als hätte man ihn geohrfeigt.Seine Stimme hob sich. »Was haben Sie da gesagt?« Er trat mit gerötetem Gesicht einen Schritt näher. »Ironie? Ironie! Sie halten meine Kinder für Affen? Sie können sprechen. Sie können denken. Sie haben einen Moralkodex. Das ist mehr, als man vom größten Teil der menschlichen Rasse sagen kann!«
»Ich wollte nicht …«
»Doch, das wollten Sie.« Er packte ihre Schulter und wirbelte sie herum. »Das wollten Sie.«
Er stieß sie in den Gang hinein. Durchgänge auf jeder Seite führten zu quadratischen, kreuzförmig angeordneten Hallen. Sie senkten sich drei Stufen tief zu Fischbecken hinab, in denen sehr große Fische schwammen, eine Vielzahl von Arten.
Hinter dem Kruzifix der Hallen, am Ende des Gangs, begann eine weitere Treppe, die sich durch das Dach des Tempels freischwebend zum mittleren Turm emporhob. Weston unterstrich seine Anordnung diesmal mit einem Schubser. »Rauf.«
Auf jeder Stufe stand eine Zeile in antiker Bilderschrift, die vom Ende der einen zum Anfang der nächsten weiterlief, als sollte der Text beim Erklimmen der Stufen gelesen werden. Die Schrift in asiatischem Stil war einfach, doch kunstvoll ausgeführt. Auf der fünften Stufe hielt Sara inne und zog die Schriftzeile mit dem Finger nach. »Wissen Sie, was da steht?«
Weston blieb neben ihr stehen. »Es sind Verwünschungen.«
Sara blickte die Treppe hinauf. Die Schrift schien sich endlos weiterzuziehen. »Verwünschungen? Gegen wen?«
»Gegen Sie. Gegen mich. Gegen die Menschheit.« Weston fuchtelte mit der Pistole herum. »Weiter.«
Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus. Derganze Tempel, die ganze Stadt gründete sich auf den Hass gegen die Menschheit. Und sie wurde gerade mitten ins Herz all dessen geführt. Sie glaubte nicht an Gespenster, doch sie vermeinte den Geist dieses Ortes zu spüren, seit sie das Tor zur ersten Galerie passiert hatten. Es war nicht Weston, der ihr Angst einjagte. Es war die Stadt selbst.
Es war nie vorgesehen gewesen, dass ein Homo sapiens den Weg hierher fand.
Sie waren nicht willkommen.
Sara stiegt schnell die Treppe hinauf, ohne weiter auf die Schriftzeichen zu achten. Sie hatte das mulmige Gefühl, die Stadt könnte plötzlich zum Leben erwachen und sie rücklings hinunterschleudern. Oben blieb sie außer Atem vor einer Holztür stehen. Die Tür war von einem Relief verziert, wie es sich an vielen der Gebäude und Schreine der Stadt fand. Doch dieses hier war nicht alt. Das frische Holz der Tür hob sich wie das der neu
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