Operation Ocean Emerald
und vom Tisch, gerade als einer der Entführer, der Filipino in der Stewarduniform, in die Küche kam.
»Was ist das hier für ein Radau?«
Rosita hörte nicht auf mit ihrem seltsamen Spektakel, sondern fing erst richtig an, mit Küchenzubehör um sich zu werfen, als hätte sie einen hysterischen Wutanfall bekommen.
»Hör auf!«, brüllte der Entführer.
Auf einen Schlag brach Rosita ihre Vorführung ab und stand keuchend auf der Stelle. Der Entführer richtete sich verärgert auf und machte kehrt.
Aaro starrte Rosita von seinem Versteck aus bewundernd an. Das Mädchen hatte es in sich. Aaro hatte überraschend eine Verbündete gefunden.
23
Mit zunehmender Besorgnis beobachtete Timo Nortamo die Leute, die am Busbahnhof in Porvoo aus dem Helsinkier Linienbus stiegen. Der Wind trieb einzelne Regentropfen über den erleuchteten Platz. Der letzte Fahrgast sprang heraus.
Keine Spur von Aaro.
Allmählich hatte Timo ein wirklich unangenehmes Gefühl. Falls Aaro den vorigen Bus verpasst haben sollte, hätte er spätestens mit diesem hier kommen müssen. Soile war daheim längst in Hysterie ausgebrochen.
Mit raschen Schritten ging Timo in die Altstadt zurück. Unterwegs versuchte er noch einmal, Aaro telefonisch zu erreichen, aber vergebens.
Er hatte beschlossen, erneut mit Niko zu reden, auch wenn er ihm nicht hundertprozentig vertraute, schon gar nicht nach der Sache mit dem Ladendiebstahl. Dass er die gestohlene DVD in Aaros Rucksack versteckt hatte, sagte eine Menge über Niko.
Vor dem Kiosk an der Ecke piepste Timos Handy. Im Gehen öffnete er die SMS, die von einer unbekannten Nummer kam. Der Verband an der linken Hand behinderte ihn dabei ein wenig.
Papa, ich bin auf einem entführten Schiff …
Timo verzog den Mund zu einem Grinsen – unsicher und zornig zugleich. Wie konnte Aaro nur auf so eine Schnapsidee kommen? Das war doch extrem kindisch. Er las die SMS zu Ende.
Ortet das Handy, es ist in einem Kanister mit einer Lampe!
Typisch Aaro, dachte Timo genervt und ging weiter. Als kleiner Junge hatte er sich einmal mit einem Stapel Micky-Maus-Hefte auf dem Dachboden versteckt und Soile hatte die Polizei verständigt, weil sie Timo nicht erreichen konnte. Andererseits: Warum hätte sich Aaro die Mühe machen sollen, die SMS mit einem anderen Handy als seinem eigenen zu verschicken? Und warum hätte sich Niko vorhin so offensichtlich große Sorgen machen sollen? Er hätte sicher gewusst, wenn Aaro sich nur einen Scherz erlauben würde.
Timo blieb stehen, nahm das Handy aus der Tasche und sah sich die Nummer genau an. Erst jetzt fiel ihm die Ziffernfolge 445 am Anfang auf. Das war die Kennzahl einer Satellitenverbindung.
Timos Herz schlug heftiger. Woher hatte Aaro das Satellitentelefon? Nikos Sorgen und Aaros SMS zusammengenommen veranlassten Timo schließlich, die Auskunft anzurufen.
Er ließ sich die Nummer der Küstenwache geben und rief dort an. Nachdem er sich vorgestellt und zwei verschiedenen Personen sein Anliegen vorgetragen hatte, wurde er schließlich mit Leutnant Vierto verbunden.
»Ich wollte mich nach einem Kreuzfahrtschiff namens Ocean Emerald erkundigen …«, sagte Timo unsicher.
»Erkundigen wegen was?«
Der scharfe Ton des Mannes ließ Timo aufmerken. »Ist auf dem Schiff alles in Ordnung?«
»Warum fragen Sie?«
»Mein Sohn ist auf das Schiff gegangen, um einem der Passagiere verlorene Dokumente zurückzubringen, und er ist immer noch nicht zu Hause. Gerade habe ich eine seltsame SMS erhalten, in der behauptet wird, dass … dass …«
Timo tat sich schwer, den Satz, der sich nach einem schlechten Scherz anhörte, herauszubringen.
»Reden Sie weiter.«
»In der Mitteilung heißt es, das Schiff sei entführt worden. Mein Sohn neigt dazu, sich alle möglichen Dinge auszudenken …«
»Von wo rufen Sie an? Können Sie unverzüglich hierherkommen?«
»Das kann ich. Ich bin in Porvoo.« Fast krampfartig presste Timo das Handy ans Ohr. »Wissen Sie etwas über den Sachverhalt?«
»Wir haben von der Ocean Emerald ein GMDS S-Notsignal empfangen, das der Kommandant des Schiffes jedoch wieder zurückgenommen hat, meiner Meinung nach allerdings auf fragwürdige Art.«
Timo rannte zurück zum Haus seiner Mutter in der Välikatu.
Die Ocean Emerald, die in voller Fahrt auf dem nächtlichen Meer in südwestliche Richtung unterwegs war, erinnerte an einen waagrecht hingelegten Wolkenkratzer in Festbeleuchtung. An Bord des Schiffes war die Stimmung jedoch alles
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