Operation Romanow
schießen … es ist die Hölle da unten. Alles ist voller Blut!«
»Sind sie tot?«
Jurowski, der mit einem Mal krank aussah, rang keuchend nach Atem. »Soweit ich es beurteilen kann, ja. Ich habe bei allen den Puls gefühlt. Es war fürchterlich. Unsere Kugeln schienen die Kinder nicht zu durchdringen. Am Ende wurde es ein richtiges Massaker. Wir mussten die Bajonette benutzen.«
Der Kommandant verstummte und erbrach sich in sein Taschentuch. Ein Teil des Mageninhalts landete auf dem Boden und auf Jakows Stiefeln. »Tut mir leid, Kommissar«, sagte Jurowski und wischte sich den Mund ab.
»Gehen Sie in die Wachstube, und bleiben Sie mit Ihren Männern dort«, befahl Jakow dem Kommandanten und drängte sich an ihm vorbei. Andrew folgte ihm mit versteinerten Gesichtszügen, und dann gingen sie beide auf die Kellertür zu.
117. KAPITEL
Hauptbahnhof, Jekaterinburg
Markow straffte die Zügel, worauf die Pferde stehen blieben. Vor dem Bahnhof standen ein paar Droschken. Die Kutscher saßen schlafend im Wagen und hatten sich mit Schaffelldecken zugedeckt.
Durch die großen Bahnhofstüren konnte man die Bahnsteige sehen, auf denen sich größtenteils Bauern drängten, welche die Bahnsteige mit ihren Karren, die sie mit all ihrem Hab und Gut beladen hatten, verstopften. Einige schliefen, und alle warteten auf Züge. In der Bahnhofshalle hing der Geruch von verdorbenem Essen und Schweiß.
Sorg stieg ab. »Warten Sie hier.«
Markow, der vor Nervosität beinahe zitterte, band die Zügel an einen Pfosten. »Vergessen Sie es! Ich kann diese Stadt gar nicht schnell genug verlassen. Ich komme mit.«
Sorg rannte durch den überfüllten Bahnhof und fand schnell den Zug, der am Bahnsteig drei auf einem Nebengleis stand.
»Es sieht alles verlassen aus«, sagte Markow beunruhigt.
Sie näherten sich dem Waggon hinter der Lokomotive. Die Rollos waren heruntergezogen. Sorg versuchte, die Tür zu öffnen. Sie war verschlossen. Er klopfte an die Scheibe. Keine Reaktion. Er klopfte noch einmal.
Schließlich wurde die Tür geöffnet. Ein untersetzter Mann starrte seine Besucher argwöhnisch an.
»Ich suche Soba.«
»Ich bin Soba. Was wollen Sie?«
»Ich habe ein Schreiben von Kommissar Jakow. Er bittet Sie, alles für die unverzügliche Abfahrt des Zuges vorzubereiten«, sagte Sorg.
Der Mann namens Soba warf einen Blick über die Schulter, als wäre er nicht allein. »Kommen Sie herein«, sagte er zögernd. Er trat zurück und öffnete die Tür, um Sorg und Markow in den großen Privatwagen mit einem abgetrennten Schlafabteil einzulassen.
Eine Frau, deren Augen vom Weinen gerötet waren, lag in einem abgetrennten Schlafabteil im hinteren Teil des Wagens auf einem Feldbett. Durch die geöffnete Tür zwischen dem vorderen Teil des Wagens und dem Schlafbereich konnte Sorg sie sehen. Sie wirkte vollkommen apathisch und sah aus, als hätte sie jegliches Interesse an ihrer Umgebung verloren.
Ein Arzt kniete vor dem Bett. Neben ihm stand eine schwarze Tasche aus dunklem Leder. Er hielt eine Narkosemaske aus Gaze über das Gesicht der Frau und träufelte aus einer Flasche ein paar Tropfen auf die Gaze. Der widerliche Geruch des Äthers breitete sich im Wagen aus. Die Frau blinzelte ein paar Mal und schloss die Augen dann wieder.
Sorg drehte sich zu Soba um und reichte ihm das Schreiben von Jakow. »Sie wollen sich das sicher ansehen.«
»Was lange währt, wird endlich gut«, sagte plötzlich jemand.
Er wirbelte herum. Sein Herzschlag setzte aus.
Ein bewaffneter Mann in einer Lederjacke, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war, stand neben dem Bett und bedrohte den Arzt und die Frau mit seiner Waffe. Zwei Männer traten aus dem Schlafabteil des Wagens und packten Markow, der einen mächtigen Schreck bekam.
Ihnen folgte Kasan mit einer Pistole und einem verschlagenen Grinsen im Gesicht. »Schön, schön. Na, wen haben wir denn da?«
118. KAPITEL
Ipatjew-Haus, Jekaterinburg
In dem Kellerraum sah es aus wie auf einem Schlachtfeld.
Durch die stinkenden Rauchschwaden des Schießpulvers betrat Andrew hinter Jakow den Raum und schloss die Tür hinter sich.
»Mein Gott, nein …!«, stammelte Andrew verzweifelt.
Das schreckliche Gemetzel, das sich vor seinen Augen auftat, hätte selbst den härtesten Mann erschüttert. Elf Leichen – die Familie, der Arzt und die Dienstmädchen – lagen kreuz und quer mit verschlungenen Gliedern auf dem Holzboden, auf dem sich riesige Blutlachen ausbreiteten. Die von Einschusslöchern
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