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Operation Romanow

Operation Romanow

Titel: Operation Romanow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Meade
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Juri und mir einen glücklichen Tag mit ihr zu schenken, an den wir uns immer erinnern konnten. Er ließ dieses Foto von uns allen machen, damit wir ein Andenken an sie hatten. So war Juris Vater, ein guter und aufmerksamer Mann.«
    Soba rieb sich die Hände und bereitete sich innerlich darauf vor, wieder in die kalte Nacht hinauszutreten. »Ich hoffe, sein Sohn trifft die richtige Entscheidung, Leonid.« Und mit diesen Worten ging er davon.
    Jakow warf einen Blick auf seine Taschenuhr: fünf Minuten nach acht Uhr. Er öffnete den obersten Knopf des Waffenrocks und goss sich ein Glas Wodka ein. Nachdem er es in einem Zug geleert hatte, knallte er es wütend auf den Tisch.
    Er betrachtete noch einmal das Foto. »Mensch, Juri, werd endlich vernünftig! Du brauchst nicht den Märtyrer zu spielen.«
    Draußen war es bitterkalt, und ein stürmischer Wind peitschte die Schneeflocken gegen die Fenster. Der Schnee fiel immer dichter. Jakow stand dort und starrte wie hypnotisiert auf das Schneegestöber. In einer kalten Winternacht wie dieser hatten er und Juri Andrew sich kennengelernt. In dieser Nacht, als ein Kind geboren wurde und ein Mensch dem Tode nahe war, wurden ihre beiden Schicksale für immer miteinander verknüpft.
    Jakow kniff die Augen zu. Wie konnte er jemals die Elendsviertel von Sankt Petersburg vergessen, das qualvolle Jammern und das Geschrei der Betrunkenen, die wie Kirchenglocken in seinem Kopf widerhallten? Er erinnerte sich an die Hoffnungslosigkeit seiner Kindheit und den ekelhaften Gestank der Armut, der ihn bis zum heutigen Tag verfolgte. Und plötzlich wurden die Erinnerungen an die Vergangenheit wieder lebendig …

12. KAPITEL
    Sankt Petersburg
    Mit dem prunkvollen Winterpalast, den breiten Prachtstraßen und den grünen Parkanlagen war Sankt Petersburg eine der schönsten Städte der Welt – das Paris des Nordens.
    Doch es gab auch ein anderes Sankt Petersburg, eine verwahrloste Hauptstadt mit dreckigen Hinterhofgassen, Verbrechen und Armut, wo Hunderttausende Arbeiterfamilien auf engstem Raum in verfallenen Mietskasernen, die reichen Besitzern gehörten, zusammengepfercht wurden.
    In diese Welt wurde Leonid Jakow hineingeboren, in die trostlosen, gefährlichen Elendsviertel der Stadt. Sein Vater arbeitete als Tagelöhner in den Häfen von Sankt Petersburg, ein grobschlächtiger Mann, dessen Atem immer nach Alkohol stank.
    Leonid liebte seine Mutter. Sie war eine hübsche, stolze Frau, die Arbeit als Putzfrau in den Häusern der Reichen und den Herrenklubs der Stadt gefunden hatte. Es war eine Knochenarbeit, die oft vom frühen Morgen bis spät am Abend dauerte und für die sie nur einen Hungerlohn bekam. Dann kam sie nach Hause, kniete sich hin und schrubbte die Böden in ihrer Wohnung. Sie legte großen Wert darauf, dass trotz des Drecks ringsherum bei ihr alles peinlich sauber war.
    Jeden Abend las sie Leonid aus einem Kinderbuch oder aus der Zeitung vor. Neben ihrem Bett lagen immer Bücher: Dostojewski, Tolstoi und sogar Karl Marx. Dicke, abgegriffene Bücher und ein altes Lexikon, in dem sie jeden Tag blätterte, um sich zu bilden. Jakow hatte das nie vergessen.
    Und er hatte auch nicht den gehetzten Blick seiner Mutter vergessen. Später erkannte er, dass ihr nicht nur Erschöpfung und Hunger zu schaffen machten, sondern dass die Tuberkulose mit den heftigen Hustenanfällen ihren Körper zugrunde richtete. In Russland starb jedes fünfte Kind an Hunger, Vernachlässigung oder einer Krankheit. Auch Jakow hatte seine jüngere Schwester Katerina in dem strengen Winter 1901 durch Tuberkulose verloren.
    Er erinnerte sich an den sonnigen Februartag, als er seiner Mutter geholfen hatte, den knöchernen, steifen Leichnam, der in eine zerfetzte Decke gewickelt war, zum Armenfriedhof zu bringen. Nachdem sie Gebete für die Tote gesprochen, sich eng umschlungen und miteinander geweint hatten, stieg Leonid hinunter in die offene Grube, um den kleinen Leichnam zu begraben. Kein Grabstein, um an das kurze Leben seiner Schwester zu erinnern, nur ein einfaches Kreuz, das er aus Brennholz gebaut hatte und das an ihr kurzes Leben erinnerte.
    Und es gab noch eine andere Erinnerung an diesen sonnigen Morgen, die Leonid Jakow niemals vergessen würde. Die Glocken der Isaakskathedrale erklangen, und Leonid sah, als er seine Mutter in den Arm nahm, über die Dächer von Sankt Petersburg hinweg die glänzenden vergoldeten Kuppeln, die vielen prächtigen Herrenhäuser und Tausende von glitzernden Fenstern des

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