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Operation Zombie

Operation Zombie

Titel: Operation Zombie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Brooks
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Helikopter, Kampfflugzeuge, das konstante, hohe Heulen von zivilen Passagierflugzeugen. Vielleicht irrte ich mich ja, vielleicht war die Krise vorüber. Möglicherweise hatten die Behörden »gesiegt«, und die Gefahr gehörte längst der Vergangenheit an. Vielleicht hatte meine überstürzte Flucht lediglich dafür gesorgt, dass im Akakaze eine neue Stelle frei wurde, und vielleicht würde ich eines Morgens von den Stimmen zorniger Parkwächter oder dem Kichern und Tuscheln von Schulkindern auf einer Exkursion geweckt werden. Eines Morgens weckte mich dann tatsächlich etwas, aber keine Schar kichernder Schüler, und, nein, auch keiner von ihnen.  Es war ein Bär, einer der großen braunen Higuma, die durch die Wildnis von Hokkaido streifen. Die Higuma waren ursprünglich von der Halbinsel Kamtschatka eingewandert und ebenso wild und kräftig wie ihre sibirischen Vettern. Der war riesig, das erkannte ich am Tonfall und Volumen seines Atmens. Ich schätzte, dass er nicht mehr als vier oder fünf Meter von mir entfernt sein konnte. Ich erhob mich langsam und furchtlos. Neben mir lag mein Ikupasuy. Eine bessere Waffe hatte ich nicht zur Verfügung, und ich nehme an, hätte ich die Absicht gehabt, es als solche zu nutzen, hätte ich mich vortrefflich damit verteidigen können.
    Sie haben es nicht benutzt.
    Und wollte es auch nicht. Dieses Tier war mehr als nur ein hungriges Raubtier, das zufällig vorbeikam. Ich glaubte, dass es das Schicksal war. Diese Begegnung konnte nur der Wille des Kami sein.
    Wer ist Kami?
    Was ist Kami. Kami sind die Geister, die jeder einzelnen Facette unserer Existenz innewohnen. Wir beten zu ihnen, ehren sie und hoffen, dass wir sie erfreuen und ihre Gunst erringen. Ebendiese Geister lassen japanische Firmen das Grundstück segnen, wo bald eine Fabrik entstehen soll, und Angehörige meiner Generation den Kaiser als Gott verehren. Die Kami sind die Basis von Shinto, wörtlich »Der Weg der Götter«, und die Verehrung der Natur gehört zu dessen ältesten und heiligsten Prinzipien.
 Darum glaubte ich, dass an diesem Tag ihr Wille am Wirken wäre. Durch mein Exil in der Wildnis hatte ich die Reinheit der Natur beschmutzt. Nachdem ich mir selbst, meiner Familie und meinem Land Schande gemacht hatte, war ich endlich den letzten Schritt gegangen und hatte den Göttern Schande gemacht. Und die hatten jetzt diesen Attentäter geschickt, der erledigen sollte, was ich so lange nicht konnte, meinen Gestank tilgen. Ich dankte den Göttern für ihre Gnade. Ich weinte, während ich mich auf den tödlichen Hieb vorbereitete.  Doch er kam nicht. Der Bär hörte auf zu keuchen und gab ein hohes, fast kindliches Winseln von sich. »Was hast du denn?« Das sagte ich allen Ernstes zu einem dreihundert Kilogramm schweren Raubtier. »Na los, mach mir ein Ende!«  Der Bär winselte weiter wie ein ängstlicher Hund, dann rannte er so schnell wie ein gejagtes Beutetier vor mir davon. Da hörte ich das Stöhnen. Ich wirbelte herum und versuchte, mich ganz auf mein Gehör zu konzentrieren. Aus der Höhe seines Mundes konnte ich schließen, dass er größer war als ich. Ich hörte einen Fuß über die weiche, feuchte Erde schleifen und Luft aus einer klaffenden Wunde in der Brust entweichen.  Ich konnte hören, wie er die Hände nach mir ausstreckte und dabei unablässig ins Leere griff. Es gelang mir jedenfalls, seinen ungeschickten Bemühungen zu entkommen und mein Ikupasuy aufzuheben. Ich richtete meinen Angriff gegen die Stelle, wo das Stöhnen der Kreatur seinen Ursprung hatte. Ich schlug schnell zu und spürte den Aufprall in den Armen. Die Kreatur fiel zu Boden, während ich einen Triumphschrei ausstieß: »Zehntausend Jahre!«  Es fällt mir schwer, meine Gefühle in dem Moment zu beschreiben. Wut war in meinem Herzen explodiert, Kraft und Mut, die meine Schande vertrieben, wie die Sonne die Nacht vom Himmel vertreibt. Plötzlich wusste ich, dass ich ein Günstling der Götter war. Der Bär war nicht geschickt worden, um mich zu töten, sondern um mich zu warnen. Ich begriff den Grund dafür nicht gleich, aber ich wusste jetzt, ich musste bis zu dem Tag überleben, an dem mir dieser Grund endlich enthüllt wurde.  Und das habe ich die nächsten Monate über getan: überlebt. Ich teilte die Hiddakaberge im Geiste in einer Reihe von mehreren hundert Chi-tai ein. Jede Chi-tai enthielt ein Objekt der Sicherheit für Leib und Leben - einen Baum oder hohen flachen Stein -, einen Ort, wo ich unbesorgt schlafen

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