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Opfere dich

Opfere dich

Titel: Opfere dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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Menschenleben hatte Vorrang.
    Auf einmal schrie sie erschrocken auf. Jordan hatte seine Augen geöffnet. Er schaute sie an. Sie fröstelte. Stumm bettelte er um Hilfe. Dann wurde er wieder ohnmächtig.
    Die Hämatome an seinem Körper waren bereits blau, eine Verfärbung, die sich nach drei Tagen einstellte. Erst nach zirka sieben Tagen wurden Blutergüsse grünlich, das wusste Storm. Ein Hinweis darauf, wie lange Jordan bereits in diesem Zimmer dahinvegetierte. Sie vermutete, dass er kurz nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft entführt worden war. In seiner jetzigen Verfassung war er dem Tod näher als dem Leben.
    Storm nahm den Knebel aus seinem Mund. „Ein Damenslip“, sagte sie und schnaubte. Dann fiel ihr das weiße Etikett in der schwarzen Unterhose auf. Es musste nachträglich eingenäht worden sein. Dort standen die Initialen C.F. „Das ist das Höschen von Carol Frost“, mutmaßte sie.
    Wütend warf sie die Hose auf die Konsole. Jordans Mund war staubtrocken. Seine Lippen waren aufgerissen und seine Zunge geschwollen. Wie bei Gilbert hatte der Wachsmörder die Flucht unmöglich gemacht, ohne ihn zu betäuben. Welch ein langsamer, qualvoller Tod!
    Storm machte sich große Sorgen. Das war das zweite männliche Opfer des Wachsmörders. Er schien eine eigene Foltermethode für Männer zu entwickeln. Das war nicht gut. Gar nicht gut. Er wurde immer skrupelloser. Seine Gier nach Macht uferte aus. Er verlor seine klare Linie und suchte nach neuen Herausforderungen. Dazu gehörte auch, sich über die Polizei lustig zu machen. Durch das fadenscheinige Angebot an Storm und die Hinweise, die er in seiner Erhabenheit wie Brotkrumen auslegte.
    „Ich hole schnell ein Glas Wasser für den falschen Jordan. Vielleicht kommt er dann wieder zu Bewusstsein.“ Storm ging ins Badezimmer und fand dort ein Zahnputzglas. Sie nahm es von der Ablage, füllte es mit kaltem Wasser und betrachtete sich im Spiegel. Dabei fiel ihr Blick auf die Wand hinter ihr. Etwas stand dort über der Badewanne geschrieben. Die Buchstaben waren nur schwach zu entziffern, weil die Tapete sepiabraun war, genauso wie die Schrift.
    Storm drehte sich um und trat näher. War das Kot? Er war eingetrocknet und stank nicht mehr. Blinzelnd versuchte sie die Wörter zu entziffern. Als es ihr dämmerte, was sie dort las, hätte sie beinahe das Glas in die Wanne fallen lassen. Im letzten Moment krampfte sich ihre Hand darum.
    Es war eine Nachricht des Wachsmörders an das Fort Twistdale Police Department. Jedes Wort bildete einen eigenen Satz, wie in der Videobotschaft.
    „Ich. Bin. Überlegen.“, las sie laut. Das waren fast die gleichen Worte, die Manning benutzt hatte, als er ihr auf dem Parkplatz des Supermarkts aufgelauert hatte: „Ich bin euch überlegen. Das PD kann dich nicht vor mir schützen.“

18.
    Konnte das Zufall sein? Das fragte sich Storm, als sie mit Malcolm zurück auf dem Polizeirevier war. Manning und der Wachsmörder waren zwei Männer mit großem Ego. Oder ein und derselbe. Der falsche Neville Jordan war von der Liste der Verdächtigen gestrichen worden. Von jetzt auf gleich vom potenziellen Täter zum Opfer. Man hatte ihn ins Krankenhaus gebracht und ins künstliche Koma versetzt. Er musste erst stabilisiert werden, bevor man ihn operieren konnte.
    Am Nachmittag stand Storm neben ihrem Partner vor seinem Schreibtisch. Sie starrten beide gebannt auf den Bildschirm des Computers, während das automatisierte Fingerabdruck-Identifizierungssystem die Datenbank nach den Fingerabdrücken des falschen Vertreters durchsuchte. Das konnte länger dauern, aber Storm wagte nicht, ihren Blick abzuwenden, weil sie wie elektrisiert war. Sie standen kurz davor, ein weiteres Puzzleteil zu erhalten. Das männliche Opfer würde noch wochenlang nicht vernehmungsfähig sein. Falls er überhaupt durchkam. Vielleicht gab es eine Verbindung zwischen ihm und dem Wachsmörder. Kannten sie sich?
    Als die Tür aufgerissen wurde, zuckte sie unweigerlich zusammen. Lobster stand im Rahmen. Sein Gesicht glühte. Puderzucker klebte an seinem Kinn. „Hab von Benhursts Fingerabdrücken auf dem Diktiergerät gehört. Ich werde ihn feuern.“
    Malcolms buschige Augenbrauen zogen sich zusammen. „Ist das nicht ein wenig zu drastisch?“
    „Jedenfalls fliegt er aus der Soko“, murrte der Commissioner. Er nahm seine Brille ab und massierte die Druckstellen an seiner Nase. „Noch mehr Fehler können wir uns nicht leisten.“
    „Er ist jung, muss noch viel

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