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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Funaro
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fühlte sich in Hochstimmung, aber etwas fehlte. Spontan tauchte er seine Finger in das Blut der Katze und führte sie zum Mund. Das Blut war warm und schmeckte nach Kupfer, und aus irgendeinem Grund dachte Edmund an den Wind von der Schleifmaschine seines Großvaters im Werkraum.
    Aber etwas fehlte immer noch, und je mehr Edmund darüber nachdachte, desto weiter schien die Antwort entfernt zu sein.
    Später, nachdem er die Katze beerdigt hatte, lag er hellwach im Bett, dachte nach und lauschte den anderen Katzen, die draußen ihren gefallenen Kameraden betrauerten. Er empfand kein Schuldgefühl, nur Verwirrung. Und dann war das Suchen wieder da, immer noch, es schlich sich erneut an ihn heran, morgen vielleicht die Antwort.
    Nein, die Katze zu töten und ihr Blut zu kosten – zumindest diese Katze und dieses Blut –, das war es nicht. Und Edmund Lambert fühlte sich so leer wie zuvor.
    48
    Edmunds erstes Mal mit einem Mann war ein Anwalt namens Alfred, ein älterer Gentleman, den er in einem Chatroom mit dem Namen RaleighMen4Men kennengelernt hatte. Es war im Frühjahr 1998, während seines Abschlussjahres an der Highschool, als er noch heiß und innig mit Karen Blume zusammen war. Edmund mochte Karen; gut, er mochte es, sie zu bumsen, aber er genoss es eigentlich nicht, Zeit mit ihr zu verbringen und ertappte sich oft bei merkwürdigen Gedanken, wenn sie zusammen waren.
    Er fragte sich, wie es wäre, wenn er ihr Dinge antun würde, Dinge, wie er sie der Katze angetan hatte, Dinge, die er einigen anderen Tieren angetan hatte, die er im Lauf der letzten Jahre gefangen hatte – Eichhörnchen, Mäuse, ein, zwei Opossums und diesem streunenden Hund. Und natürlich weiteren Katzen. Sehr vielen Katzen.
    Edmund hatte außerdem den alten Transporter seines Onkels hergerichtet, und zu seinen Lieblingsfantasien gehörte es, Karen unter Drogen zu setzen und sie in den Wald hinauszufahren, wo er den Transporter parken und eine kleine Werkstatt mit den Werkzeugen einrichten würde, die er mitgebracht hatte, um mit ihr zu spielen. Gleichzeitig hatte Edmund jedoch den Verdacht, dass es das Risiko nicht wert wäre, Karen solche Dinge anzutun, und es ihn auf lange Sicht nicht befriedigen würde.
    Nein, etwas fehlte. Etwas fehlte immer.
    Edmund wusste nicht, warum er anfing, den Chatroom »Men4Men« zu besuchen, er wusste nicht, warum er die Seiten mit männlichen Models aufsuchte, bis er eins fand, das ihm ein wenig ähnlich sah. Edmund nannte sich »Ken« und stellte den Männern online eine Menge Fragen. Er schickte ein paar von ihnen sogar sein Foto. Aber Edmund fühlte sich, als wären – wie der falsche Name und die falschen Fotos – auch seine Handlungen nicht seine eigenen, und er beobachtete sich selbst mit derselben distanzierten Neugier, als würde er einer T V -Figur zusehen.
    Und natürlich war da das Suchen, immer das Suchen.
    Edmund und Alfred hatten im Internet etwa einen Monat lang hin und her gemacht, ehe Edmund einverstanden war, ihn eines Nachmittags bei Barnes & Noble in der Abteilung Philosophie und Religion zu treffen. Der Plan war ganz einfach: Wenn beiden gefiel, was sie sahen, würde Edmund dem Anwalt zu einem Hotelzimmer folgen, das einige Meilen entfernt war. Alfred war verheiratet, sagte er – er hatte bereits ein Kind und ein zweites war unterwegs –, und er kam nur werktags von zu Hause weg. Das passte auch Edmund ganz gut, der wegen seiner Schlägereien wieder einmal von der Schule suspendiert worden war. Er war nur einen Schritt davon entfernt, ganz ausgeschlossen zu werden, sagte sein Schulpsychologe, und er würde die Sommerschule besuchen müssen, um seine Kurse zu beenden. Tatsächlich war es Edmunds Psychologe, der sich dafür einsetzte, dass man Edmund erlaubte, seinen Abschluss zu machen. Wenn der Junge nur sein Temperament in den Griff bekam, sagte er, wenn es ihm gelang, sich zu konzentrieren, würde sich das auf lange Sicht für ihn auszahlen.
    Schule war für Edmund Lambert immer einfach gewesen. Mädchen, Sport, der Respekt und der Neid der anderen Jungs – alles fiel ihm so verdammt leicht zu. Aber das Suchen, ja, nur das Suchen war schwer.
    Wie Edmund sagte auch Alfred der Anwalt, er sei nicht schwul – er »experimentiere nur hin und wieder gern«, wie er es nannte. Und nach ihrem verlegenen, linkischen ersten Treffen bei Barnes & Noble experimentierten Alfred und Ken im Lauf der nächsten Wochen einige Male miteinander. Alfred begann sich als Kens »Mentor« zu

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