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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Funaro
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»Sie sind mithilfe ihres Fahrzeugs auf der Rückseite des Geschäfts eingedrungen und haben den stummen Alarm ausgelöst. Leider waren sie mit dem Löwenkopf bereits verschwunden, als wir eintrafen.« Gray sagte weiter, es fehlten keine weiteren Gegenstände, und der Safe des Eigentümers, der zu diesem Zeitpunkt leer war, sei nicht angerührt worden.
    »Das ist das Schlimmste daran«, sagte Tom Rowley, der Besitzer des Unternehmens. »Wieso sie es von allen Dingen im Laden ausgerechnet auf den alten Leo abgesehen hatten, ist mir ein Rätsel.«
    Das seit fünfzig Jahren am selben Ort ansässige Familienunternehmen ist halb Tierpräparationsstudio, halb Museum, und die Tiere darin sind für Einheimische und neugierige Touristen gleichermaßen alte Bekannte geworden. Leo, ein mächtiger afrikanischer Löwenkopf, hing seit Anfang der Achtzigerjahre an der Wand hinter der Kasse.
    »Leo war eines der liebsten Besitztümer meines Vaters«, sagte Rowley. »Er war das Geschenk eines Freundes, mit dem mein Vater im Zweiten Weltkrieg gedient hatte, und seit Jahren bei uns im Haus. Er wurde in den Dreißigerjahren auf einer Safari erschossen. Solche Dinge sind immer schwerer zu finden, und bis heute kommen viele Kinder extra zu uns, um ihn sich anzusehen.«
    Markham wollte den Artikel gerade noch einmal lesen, als ihn Michelle unterbrach.
    Hier sind jetzt keine Schatten, sagte sie. Alles ist sehr klar, sehr lebendig, wenn du arbeitest. Was wäre also schlimm daran, wenn du dich über die Arbeit definieren würdest? Mag sein, dass du nur die Hülle eines Mannes bist, Sam Markham, aber ich würde dich trotzdem auf der Stelle vernaschen.
    Markham lachte, schluckte die Tränen, die zu folgen drohten, und schaltete seinen Blackberry aus.
    Dann nahm er seine Frau an der Hand und ging mit ihr am Fluss entlang.
    71
    »Wo zum Teufel könnte er sein?«, murmelte George Kiernan und sah auf die Uhr.
    13.51 Uhr.
    Zuerst war er wütend gewesen und hatte seine Nachbesprechung mit einer Standpauke wie geplant begonnen. Doch als die Minuten verrannen und Bradley Cox noch immer nicht aufgetaucht war, hatte sich seine Wut in Panik verwandelt. Der Rest des Ensembles, einschließlich Cindy Smith, war günstig davongekommen. Er hatte jetzt Probleme von anderem Kaliber, und dieser Hurensohn von Cox würde sein Fett abkriegen. Falls er nicht tot war, würde ihn Kiernan aus dem Fachbereich werfen lassen, verkündete er vor versammelter Mannschaft, und schickte ein paar Bühnenassistenten los, um ihn zu suchen.
    Doch jetzt, fast eine Stunde später, bereute der Regisseur seine Äußerung. Denn jetzt machte sich George Kiernan ernsthaft Sorgen um den Jungen. Er holte tief Luft und schloss die Augen. Er schwitzte furchtbar und konnte das Skript in seinen Händen kaum ruhig halten, während die Kostümbildnerin Bradley Cox’ Hose um die Taille weiter machte.
    Um 1.40 Uhr hatte er sich mit dem Unvermeidlichen abgefunden, aber erst jetzt, um 1.50 glaubte er wirklich, dass es geschah. The Show must go on , sagte er sich immer wieder – aber dass sie mit ihm in der Titelrolle des Macbeth weitergehen sollte, das hätte sich George Kiernan in tausend Jahren nicht träumen lassen. Zweitbesetzungen waren am Harriot Theater nicht vorgesehen – es fehlte die Zeit für die Proben, und die Auswahl an Schauspielern war schlicht zu gering, um auch nur die größeren Rollen angemessen zu besetzen. Und wer wollte sich mit Eltern herumschlagen, die keiften, ihr Kind müsse für all die Mühen »wenigstens einmal« auf die Bühne dürfen? Abgesehen davon konnte sich George Kiernan an nicht einen Fall erinnern, dass ein Student in einer Hauptrolle während seiner Zeit als Fachbereichsleiter eine Aufführung versäumt hätte. Gut, es war bei den Generalproben vorgekommen. Aber wenn ein Stück erst mal Premiere gehabt hatte? Wenn es zu spät war, noch Leute auszutauschen? So etwas passierte im Fachbereich Theater und Tanz der Harriot University einfach nicht.
    Doch es war passiert. Und als er einen Blick auf sich selbst im Spiegel erhaschte, beschloss er im selben Moment, dass sich die Politik des Fachbereichs hinsichtlich Zweitbesetzungen würde ändern müssen.
    »In seiner Wohnung ist niemand«, sagte der Assistent, der atemlos in die Garderobe gestürzt kam. »Der Vermieter hat uns eingelassen. Auf dem Bett lagen ein paar Kleidungsstücke, aber sein Handy ist fort, und das Schloss ist von außen versperrt. Sein Wagen ist ebenfalls fort – sieht aus, als wäre er

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