Opfermal
sie jetzt ebenfalls zur Gleichung gehörte?
Ereshkigal wird uns helfen, hatte auch seine Mutter gesagt, aber mit diesem Teil der Gleichung konnte sich der General jetzt nicht beschäftigen. Er durfte den Prinzen nicht merken lassen, dass seine Mutter immer noch im Mittelpunkt von allem stand, durfte es nicht einmal denken. Er musste den Schein wahren und seine ganze Energie in den Dienst für den Prinzen stecken. Die Antwort auf die Frage, wie er seine Mutter retten konnte, würde ihm früher oder später einfallen – so wie sich auch der wahre Grund für die improvisierten Sprengkörper erst später erwiesen hatte.
Der General hatte die Bomben bereits im vorangegangenen Herbst gebaut: zwei kleine, aber hochwirksame Sprengkörper auf der Basis von Wasserstoffperoxid, ähnlich denen, die 2005 bei den Terroranschlägen in London verwendet wurden. Der General wusste nicht, warum der Prinz gewollt hatte, dass er die Bomben baute, nachdem er von den Terrorangriffen erfahren hatte, und hatte sie seitdem in der alten Pferdescheune aufbewahrt. Damals hatte der General die Botschaften des Prinzen noch ohne den Eingang und den Löwenkopf entschlüsseln müssen – aus Zeitungs- und Internetartikeln und durch seine Recherche in der Bibliothek von Harriot. Und bis zu der Geschichte mit Markham und dem FBI hatte der General beabsichtigt, sie in Verbindung mit seiner häuslichen Alarmanlage hochgehen zu lassen – nach der Rückkehr des Prinzen natürlich, wenn er die Farm nicht mehr brauchte.
Aber dann war Andrew J. Schaap in die Gleichung eingedrungen, und der General hatte beinahe sofort verstanden, warum der Prinz ihn die Sprengkörper so weit im Voraus herstellen ließ: Er musste vorausgesehen haben, dass etwas in dieser Art passierte. Ja, dachte der General, der Prinz erstaunte ihn immer wieder aufs Neue und flößte ihm Frucht ein mit seiner Macht. Und mehr denn je verstand der General jetzt, dass er den Prinzen nie unterschätzen oder an ihm zweifeln durfte.
Der General hatte nicht lange gebraucht, um die selbst gebauten Sprengkörper mit der Batterie des Trailblazers zu verkabeln und es dann so einzurichten, dass sie vom elektrischen Türöffnungsmechanismus des SUV ausgelöst wurden. Es war auch nicht notwendig gewesen, die Bomben zu verstecken, der General hatte sie einfach in zwei schwarzen Matchbeuteln auf dem Boden hinter den Vordersitzen abgestellt. Die schwarze Innenausstattung und die getönten Scheiben des Wagens würden sie hübsch tarnen. Ziemlich amateurhaft nach heutigen Maßstäben, dachte er – ein schnell zusammengebastelter Murks, über den die meisten irakischen Aufständischen wahrscheinlich die Nase rümpfen würden.
Aber das alles spielte jetzt keine Rolle mehr, und da der General nun Sam Markham hatte, war die kleine Warnung an sich selbst rein akademischer Natur. Er brauchte sich im Augenblick keine Sorgen mehr zu machen, dass ihn die Behörden überraschen und seine Pläne ruinieren könnten. Die Explosion und das Verschwinden von Schaap, Markham und Cox sollten das FBI lange genug beschäftigen, damit der General seine Angelegenheiten auf der Farm abschließen konnte. Danach würde ihm der Prinz mitteilen, wohin er gehen und was er als Nächstes tun sollte, um die Neun zu vollenden.
Der General schob sein Handy wieder in die Gesäßtasche und machte sich auf den Weg zum Haus. Er würde Ereshkigal später anrufen, nachdem er sich mit dem Prinzen besprochen hatte.
Und natürlich, nachdem er mit Sam Markham fertig war.
82
Was machst du, wenn er nicht zu Hause ist?, meldete sich die Stimme in ihrem Kopf. Bleibst du einfach in seiner Einfahrt sitzen und wartest auf ihn wie die verzweifelte Stalkerin, die du bist?
»Halt die Klappe«, sagte Cindy. Aber eine andere Stimme – die sehr nach Amy Pratt klang – erwiderte: Vielleicht.
Die eigentliche Frage ist doch, ertönte die erste Stimme wieder , was machst du, wenn dein hübscher Soldat zu Hause ist?
Cindy wusste keine Antwort.
Zwanghafte Stalkerin, sangen beide Stimmen unisono, und Cindy drehte das Radio lauter. Es war ein Song von Led Zeppelin. Cindy konnte sich nicht an den Titel erinnern. Ihre Titel haben alle nichts mit dem Text zu tun, dachte sie und begann sich das Gehirn zu zermartern. Sie ärgerte sich, als sie nicht auf die Antwort kam, war aber nichtsdestoweniger froh, dass die Stimmen endlich Ruhe gaben.
Cindy fuhr durch Seitenstraßen und bog direkt außerhalb der Stadt auf die Route 264. Sie kannte den Weg zu Edmund
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