Opfermal
hatte endlich die Information über die Schuhe des Täters eingestellt: Merrell Stormfront Gore-Tex XCR . Gleichmäßige Gewichtsverteilung. Angenehm leicht. Modell von 2004.
»Wanderst du gern, Vlad?«, fragte Markham laut. »Oder hast du die Merrells gekauft, weil sie auf dem Gehsteig so leise sind?«
Ich bin zurückgekehrt.
Markham loggte sich aus Sentinel aus und klickte auf ein Desktop-Icon, das er mit STERNE beschriftet hatte. Sofort ging eine Website namens »Your Sky« auf. Ein Physikprofessor der North Carolina State University hatte ihn auf die Seite aufmerksam gemacht, die ihren Besuchern die Möglichkeit bot, Koordinaten, Datum und Zeit einzugeben und zu sehen, wie die Sterne in jeder ausgewählten Nacht bis zurück zum Jahr Null ausgesehen hatten. Markham hatte Stunden gebraucht, um den Dreh herauszukriegen, aber inzwischen war er fast schon besessen davon.
»Spielen Sie schon wieder mit diesen Sternenkarten herum, Captain Kirk?«, sagte Schaap vom Eingang her und lehnte sich an den Türstock.
Markham nickte.
»Gibt es was Neues?«
»Ich dreh mich im Kreis«, sagte Markham. »Hunderte von einzelnen Sternen, die in der fraglichen Zeit über das Sichtfeld der Latinos gewandert sein könnten. Ein Haufen Sternbilder ebenfalls, von den meisten habe ich noch nie gehört.«
»Wie sieht es mit den Sternzeichen aus?«
»Anscheinend sind nur vier davon über den östlichen Horizont gewandert: Stier, Zwillinge, Krebs und Löwe. Falls die beiden genau nach Osten geschaut haben.«
»Irgendwelche Verbindungen zum historischen Vlad?«
»Keine, die ich im Augenblick sehen würde. Die meisten Historiker sind sich einig, dass Vlad irgendwann im November oder Dezember 1431 zur Welt kam, womit sein Sternzeichen Skorpion, Schütze oder Steinbock gewesen wäre.«
»Wie sieht es mit einzelnen Sternen aus?«
»Historisch sind keine bestimmten Sterne mit dem Symbol des Islams verknüpft, aber unser astronomischer Berater an der NC State arbeitet daran, einen mit Vlad in Verbindung zu bringen.«
Schaap war still und blickte zu Boden.
»Mir geht es genauso«, sagte Markham nach einem Moment.
»Nämlich?«
»Dass ich glaube, meine Zeit zu verschwenden; dass ich danebenliege, wenn ich nach dem Stern suche, der zum islamischen Halbmond gehört. Dass ich vielleicht mit der ganzen Geschichte mit Vlad dem Pfähler danebenliege.«
»Aber wenn es nicht Vlad ist, der zurückgekommen ist, wer dann?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Markham und wandte sich wieder seinem Computer zu. »Aber wer es auch ist, er lacht garantiert über uns.«
Der Tag war eine einzige Verschwendung gewesen, und später am Abend saß Markham auf der niedrigen Mauer aus Feldsteinen, die den Willow-Brook-Friedhof umgab. Es war sein sechster Abend in North Carolina, aber erst sein dritter beim Friedhof. Er hatte mit dem Wetter Glück gehabt – nichts als klarer Himmel seit seiner Ankunft, was ihm erlaubte, seine Abende zwischen den beiden Fundorten aufzuteilen. Aber als er jetzt nach Osten blickte, teilte er den Sternen im Geiste mit, dass er nicht wiederkommen werde.
Sie antworteten ihm, wie sie es immer taten – in teilnahmsloser unverständlicher Sprache; allsehend, allwissend und mit einem Funkeln in den Augen, das besagte: Wen juckt’s?
Doch heute Abend störte Markham ihre Gleichgültigkeit nicht. Er war in Gedanken bereits bei Vlad dem Pfähler.
Seine Rückkehr stand erst am Anfang. Rodriguez und Guerrera, Donovan. Es würden noch mehr kommen. Markham war überzeugt davon, dass sich Vlad sehr bald auf die Suche nach seinem nächsten Opfer machen werde, wenn er es nicht bereits getan hatte. Bisher wirkte das Muster so, als habe er es auf Männer abgesehen und als müsste man mit einem Mord alle zwei Monate rechnen.
Aber irgendwie traf Letzteres nach Markhams Bauchgefühl nicht zu.
2006 ist das Jahr deines Comebacks, sagte er zu sich selbst. Wo ist also dein Kalenderboy für März, Vlad. Oder für Januar, wenn wir schon dabei sind?
Warum muss es ein Junge sein? , meldete sich eine Stimme in seinem Kopf. Immerhin ließ der echte Vlad beim Pfählen Gleichberechtigung walten.
Es waren nur eine Handvoll vermisste Personen in der Gegend von Raleigh für die letzten Monate gemeldet. Könnten eine oder vielleicht zwei davon Vlad gehören? Schaaps Team in der Außenstelle würde das alles untersuchen, aber ohne Leichen oder Tatorte war eine gründliche Ermittlung nicht möglich. Und war es überhaupt sinnvoll? Vielleicht hatte keine von
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