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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Funaro
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ruinierte einem auch die Muskeln. Aber die Flasche war ein gutes Mädchen – machte einen wenigstens klüger. Ließ ihn keine solchen Dummheiten mehr anstellen wie damals, als er an der Nadel hing. Junge, dieses H war eine Edelnutte! Sie war es gewesen, die ihn diesen Supermarktangestellten in Durham erschießen ließ – er hatte ihm eine direkt übers linke Auge geballert und auf der Stelle getötet, wie er am nächsten Tag in den Nachrichten sah. Er hätte nie gedacht, dass er zu so was fähig war, aber, Mannomann, was tut man nicht alles aus Liebe! Zum Glück haben sie ihn für diese Geschichte nie drangekriegt – die hatten sie einem anderen Trottel angehängt, und ihn hatten sie dann ein Jahr später wegen des bewaffneten Raubüberfalls in Raleigh festgenagelt. Ja, Hank Biehn war klug genug, um zu wissen, dass man nur eine Freikarte im Leben hat, und er hatte seine bereits verbraucht.
    »Scheiß drauf«, sagte er und spuckte ins Unterholz. »Nicht meine Schuld, dass mir der Junge nicht einfach das Geld gegeben hat.«
    Und Hank Biehn ging weiter.
    Sein Plan sah so aus, dass er es bis Sonntagmorgen ins Zentrum von Smithfield schaffen wollte – dort würde er in ein billiges Motel einchecken und den Rest des Tages mit Biertrinken in seinem Zimmer verbringen. Bier steckte einem am nächsten Morgen nicht so in den Poren wie das harte Zeug, und so wäre er am Montagmorgen sauber und bereit zur Arbeit. Der Frühling war da, und vor dieser kleinen Ladenfront, nicht weit von da, wo die Route 301 die Stadtmitte kreuzte, würden sie Taglöhner anheuern. Wenigstens hoffte er, dass sie es tun würden; er hatte vor dem Job in Lucama etwas bekommen dort, und soviel er wusste, hatte sich in den zwei Jahren seither nichts geändert. Klar, er würde wieder mit einem Haufen von diesen Scheißmexikanern arbeiten müssen, aber solange er den Mund hielt und nicht nach Schnaps roch, sollte alles gutgehen. Und wenn sie keine Leute anheuerten, nun, dann würde sich etwas anderes auftun.
    Irgendwas tat sich immer auf.
    Früher, in der alten Zeit, als er noch professionell marschiert war, hatte Hank Biehn sehr schnell gelernt, dass ihn die Leute nicht gern mitnahmen. Wenn er mal im Wagen war und reden konnte, dann tauten sie schnell auf. Nur reinzukommen war das Problem. Er hatte optisch nie was hergemacht, so viel stand fest. Die Kinder hatten ihn früher »Ratte« genannt, das sagte schon alles. Aber daran lag es gar nicht. Nein, heute war alles anders als vor seinem Knastaufenthalt. Die Leute waren heute zu ängstlich, eine Scheißwelt, paranoide Menschen, niemand gab einem eine Chance. Traurig eigentlich, aber so einfach war das.
    Und so hatte sich Hank Biehn gedacht, wenn er schon gehen musste, dann konnte er auch nachts gehen, da war es kühler. Morgen war obendrein Sonntag, und eine andere Sache, die Hank Biehn seit seiner Entlassung gelernt hatte, war, dass Sonntage die schlimmsten Tage waren, wenn man trampen wollte. Es war auch wahrscheinlicher, dass einen die Bullen am Sonntag fertigmachten. Man hätte meinen können, das Gegenteil sei der Fall – nachdem die Leute sonntags näher bei Gott waren und weiß der Himmel was noch –, aber aus irgendeinem Grund war es nicht so. Hank Biehn war nie dahintergekommen, warum.
    Er wechselte seinen Matchbeutel auf die andere Schulter und spuckte noch einmal ins Gebüsch. Er schätzte, es waren noch vier oder fünf Meilen auf der Route 301, bevor sie die I 95 kreuzte, und das hieß noch mindestens anderthalb Stunden laufen, bevor er eine kurze Rast und ein Nickerchen am Highway machen würde. War allerdings sinnlos, auf die Interstate zu wechseln; bis dahin würde es gegen zwei Uhr morgens sein, und die Chance, dass ihn jemand mitnahm, war sowieso gering. Besser er blieb den ganzen Weg auf der 301, wahrscheinlich noch einmal fünfzehn Meilen von dort, und das hieß, er würde es bis zum Frühstück in die Stadt schaffen. Dann würde er sich ein Zimmer suchen, einen Kasten besorgen – den würde an einem Sonntag erst ab Mittag kaufen können, Scheiß North Carolina! – und dann richtig ausschlafen. War doch ein Plan, oder?
    Hank hörte den Wagen lange, bevor er ihn erreicht hatte. Es war still auf der 301. Nur eine Handvoll Leute waren um diese Uhrzeit unterwegs, und alle fuhren an Hank Biehn vorbei, ohne groß auf ihn zu achten. War okay für ihn. Die Genugtuung, den Daumen rauszustrecken, gab er ihnen ohnehin nicht. Paranoide Arschlöcher.
    Vielleicht war das der Grund,

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