Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
Vom Netzwerk:
zugänglich sind?«
    »Vielleicht.«
    Das Gesicht der Frau verriet nicht viel, dachte Pearl. Mount Rushmore mit Make-up. »Was müssten Sie tun, um die Daten wiederherzustellen?«
    »Meine Karriere aufs Spiel setzen.«
    »Genau wie ich meine aufs Spiel setze«, sagte Pearl. »Und Quinn ist noch nicht mal mein Bruder.«
    Michelle lächelte. Und in diesem Moment wusste sie, dass ihre romantische Beziehung mit Quinn kein Geheimnis war. Vielleicht hatte Michelle mit Quinn gesprochen. Oder mit Sergeant Rudd. Oder vielleicht hatte Michelle es ihr einfach irgendwie angesehen. Vielleicht brachten sie es schon im Radio.
    »Gutes Argument«, sagte Michelle. Sie sah sich die Festplatte genauer an. »Das ist eine interne Festplatte, deshalb kann ich sie nicht einfach in einen Wechselrahmen an irgendeinem Computer stecken. Jemand muss einen Schraubendreher benutzt haben, um sie auszubauen.«
    »Sie sind die Expertin«, sagte Pearl.
    »Ich kann sie in einen anderen Computer einbauen und sie mir ansehen. Es gibt Wege, Software, mit der man so gut wie alles, was vermeintlich gelöscht wurde, wiederherstellen kann. Und die meisten Leute – vielleicht auch die, mit denen wir es zu tun haben – glauben, dass alles, was sie loswerden wollen, unwiederbringlich verschwunden ist, sobald sie die Delete-Taste gedrückt haben.«
    »Haben Sie diese Software?«
    »Wenn ich sie brauche, kann ich sie bekommen. Aber ich kann an das, was wir wollen, vielleicht auch herankommen, indem ich die Systemprogramme eines anderen Computers benutze. Das kann aber eine Weile dauern.«
    »Wann können Sie damit anfangen?«
    Michelle zog ihren Blazer aus und faltete ihn so, dass die Innenseite nach außen zeigte. Dann legte sie ihn sorgfältig über die Lehne eines Stuhles. »Jetzt. Heute Morgen. Es verspricht ein ruhiger Tag an der Börse zu werden. Das Geld liegt am Spielfeldrand und wartet darauf, was die Notenbank tut.«
    »Ja«, sagte Pearl. »Die Notenbank.«
    Michelle grinste. »Ich erledige ein paar Anrufe, dann mache ich mich an die Arbeit. Aber erwarten Sie nicht, dass ich gleich heute Ergebnisse liefern kann. Wo kann ich Sie erreichen?«
    Pearl lehnte sich über die breite, polierte Tischplatte und schrieb ihren Namen und ihre Handynummer auf einen Notizblock. »Hier, oder Sie probieren es auf Quinns Nummer.«
    »M-mh.« Doch auch wenn ihr Ton sich etwas zweifelnd anhörte, schien Michelle insgeheim erfreut. Pearl fand, dass es sich gut anfühlte, akzeptiert zu sein.
    »Sie haben mein Wort, dass die Quelle jeglicher Informationen, auf die Sie stoßen, vertraulich bleibt, wenn es irgendwie möglich ist. Mehr kann ich leider nicht versprechen.«
    »Ich verstehe. Ihr Wort reicht mir.«
    »Danke«, sagte Pearl. »Ich meine, wirklich danke.«
    Sie hatte erwartet, dass Michelle »Gern geschehen« antworten würde, aber stattdessen sagte sie einfach: »Er ist mein Bruder.«
    »Da ist noch was«, meinte Pearl. »Solange Sie nichts finden, was für uns nützlich ist, gibt es keinen Grund, Ihrem Bruder von der Sache zu erzählen.«
    »Außer er fragt aus irgendeinem Grund danach. Ich werde ihn nicht anlügen. Das wurde er oft genug.«
    »Das wurde er allerdings«, sagte Pearl. »Ich höre jetzt auf, ihre Zeit zu verschwenden. Ich finde selbst hinaus.«
    Michelle verlor keine Zeit mit Höflichkeiten. Sie saß schon an ihrem Computer, als Pearl die Wohnung verließ. Als sie wieder unten auf dem sonnenwarmen Gehweg stand, dachte Pearl darüber nach, was sie getan hatte: Polizeieigentum aus der Asservatenkammer gestohlen und Quinns Schwester mit hineingezogen. Und zweifelsohne auch Quinn, wenn der Diebstahl ans Licht kam und nichts Entlastendes auf der Festplatte zu finden war.
    Für jeden, der etwas mit der Sache zu tun hatte, konnte es ein großes Problem bedeuten, selbst für Fedderman. Keinem von ihnen würde je wieder Vertrauen entgegengebracht werden. Das Gesetz war gebrochen worden. Der Verlust ihrer Karrieren wäre ihr kleinstes Problem.
    Computer, entschied Pearl, waren gefährliche Instrumente.
    *
    Lars Svenson wälzte sich mehrere Stunden in seinem Bett herum, aber er konnte einfach nicht einschlafen. Er überlegte, sich noch etwas von dem Zeug reinzuziehen, dass er von seiner letzten Eroberung gestohlen hatte, aber vielleicht hatte genau das dafür gesorgt, dass er jetzt so fertig war.
    Schwitzend und zitternd setzte er sich im Bett auf. Das hier war einfach nur scheiße. Er hatte das Gefühl, als würden Käfer direkt unter seiner Haut

Weitere Kostenlose Bücher