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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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kaufen gab.
    Er ging zum Schrank und wühlte in seinen Kleidern. Das, was er hatte, musste reichen, bis er einen Vorschuss auf seinen Lohn von Renz bekam.
    Die Kleider eines Penners. Die Garderobe eines gottverdammten Penners!
    Vielleicht war es gar nicht so schlimm. Er hatte keinen Anzug, brachte aber etwas zusammen, das man im weitesten Sinne als Outfit bezeichnen konnte. Eine zerknitterte Hose, ein langärmliges weißes Anzugshemd, das viel zu warm war für die Jahreszeit, und ein blaues Sakko, das gar nicht so schlecht aussah, solange er die zerrissene Innentasche nicht heraushängen ließ. Seine Schuhe waren in Ordnung, ein schwarzes Paar, das er vor ein paar Jahren gekauft hatte. Sie waren noch nicht zu abgelaufen und sogar ziemlich bequem.
    Wenn er sich rasierte und seine widerspenstigen Haare, die langsam grau wurden, ordentlich kämmte, konnte er immer noch als Cop durchgehen.
    Was er verdammt noch mal auch war!
    Er war ein Cop.
    Verdammt viel Blut.
    Das war das Erste, was Quinn am nächsten Morgen auffiel, nachdem er das Absperrband vom Türknopf entfernt und sich mit dem Schlüssel, den Renz mit Tesafilm auf die Rückseite der Mordakte geklebt hatte, Zugang zur Wohnung der Elzners verschafft hatte.
    Die Elzners waren in ihrer Küche gestorben. Auf den Tatortfotos war es nicht zu sehen gewesen, aber die Frau, Jan, war anscheinend noch einige Zentimeter vorwärtsgekrochen, bevor sie gestorben war, und hatte dabei blutige Spuren an der frisch gestrichenen weißen Tür hinterlassen. Quinn glaubte nicht, dass die Spuren der Versuch waren, eine Nachricht zu schreiben, sondern eher das Ergebnis ihres Todeskampfs. Er ging um das eingetrocknete Blut auf dem Küchenboden herum zum Tisch. Die Einkäufe waren noch immer da. Die Tunfischdose, die auf dem Boden neben den Leichen gelegen hatte, lag nun neben den beiden weißen Plastiktüten. Es gab ein paar Orangen, ein Laib Brot, ein Glas Erdnussbutter. Laut Akte waren die Orangen das einzig Verderbliche. Außerdem gab es noch zwei Gläser Feinkost-Erdbeermarmelade.
    Quinn fasste nichts an, als er sich hinunterbeugte, um einen Blick auf das Preisschild der Marmelade zu werfen. Teuer.
    Er wandte sich vom Tisch ab und untersuchte die Löcher in der Wand, die die Kugeln, die Jan Elzner durchdrungen hatten, hinterlassen hatten. Zwei Löcher. Eines breit und mit ausgefranstem Rand, verursacht durch eine verformte Kugel, die kaum noch Schwung gehabt hatte, weil sie zu viel Gewebe und Knochen durchschlagen hatte. Das andere Loch war rund mit glattem Rand, als ob es mit einem Bohrer gemacht worden wäre. Dieses stammte von der Kugel, die es bis in die Wohnung nebenan geschafft und zum Auffinden der Leichen geführt hatte.
    Als er dort in der Küche stand, spürte Quinn, wie sich tief in seinen Eingeweiden etwas regte. Der Tatort fühlte sich nicht nach erweitertem Selbstmord an. Die grob umrissenen Positionen der Leichen, die halb zu Ende gebrachte, alltägliche Aufgabe, Einkäufe wegzuräumen. Es gab nicht den geringsten Hinweis auf eine geplante Tat.
    Der Mann war der vermeintliche Täter. Wenn die Frau völlig unerwartet von einem gewaltsamen Tod überrascht worden war, während sie die Lebensmittel weggeräumt hatte, wäre ihr Körper nicht dort zum Liegen gekommen, wo er gefunden worden war. Und der Mann wäre nicht so in Eile gewesen, sich selbst zu erschießen, dass er die Tunfischdose vom Tisch gestoßen hätte.
    Natürlich war alles möglich.
    Aber es fühlte sich nicht danach an. Es fühlte sich nach Mord an. Ein unwahrscheinlicher, vielleicht auch sinnloser Mord. Ein ahnungsloses Paar, das seinen täglichen Pflichten nachging und dabei von einem bösen Arschloch unterbrochen worden war, das beschlossen hatte, ihr Leben zu beenden, vielleicht nur, um sie sterben zu sehen. Das Böse . Es war nichts, das Quinn zurückschrecken ließ. Vor langer Zeit hatte er gelernt, dass es sich um etwas Konkretes handelte, das einen Ort, dem es einen Besuch abgestattet hatte, nie wieder ganz verließ. Und es war dort, in der Wohnung der Elzners, sein alter und vertrauter Feind.
    Mach was dagegen. Du kannst etwas gegen den tun, der das hier getan hat, wenn du es nicht vergeigst.
    Quinn wurde bewusst, dass er eine Linie überschritten hatte und davon ausging, dass Martin Elzner nicht der Mörder war.
    Es war die Art von Bauchgefühl, von dem jeder alte Cop wusste, dass er es nicht ignorieren durfte.
    Quinn ging in das Schlafzimmer der Elzners. Dort war alles ordentlich bis auf das

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