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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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»Wenn Sie ernsthaft wasch dagegen ham …«
    Er beendete den Satz nicht. Pearl hatte ernsthaft etwas dagegen. Sie traf ihn hart am Kiefer, und ein befriedigender Stoß durchlief ihren Arm bis hin zu ihrer Schulter. Es war ein guter Schlag, der ihn rückwärts stolpern ließ, bis er zwischen zwei freien Barhockern auf seinen Hintern plumpste.
    Er rappelte sich hektisch auf, wie ein in Panik geratener Nichtschwimmer, der nicht wusste, dass er in seichtem Wasser war. Dabei schlug er wild mit seinen Armen und Beinen um sich und brachte einen Barhocker zu Fall, als er sich daran abstützen wollte. Sein breites Gesicht war verzerrt und von Zorn entstellt.
    Er sah plötzlich erstaunlich nüchtern aus. »Hören Sie, Kasner.«
    Aber Pearl hatte sich auf den Absätzen ihrer High Heels umgedreht und steuerte mit großen Schritten auf die Damentoilette zu. Sie wusste, dass er ihr dorthin nicht folgen würde.
    Ihr war sofort klar, wie schwerwiegend ihre Tat war. Wusste, dass sie es vermasselt hatte. Wenigstens gab es Zeugen in der Bar, ein Reihe von Männern und ein paar Frauen, von denen viele sie durch den Spiegel hinter der Bar angrinsten, als sie vorbeiging. Die meisten von ihnen waren Hotelgäste. Zeugen. Falls nötig, konnte sie sie ausfindig machen. Arschloch Egan würde das wissen.
    »Kasner!«
    Dieses Mal drehte sie sich um. Sie ballte ihre rechte Faust und erhob ihre Stimme. »Wollen Sie wirklich, dass ich zurückkomme, Captain Egan?«
    Er zuckte zusammen. Er war in zivil und mochte es nicht, seinen Dienstgrad und seinen Namen so laut zu hören. Nicht unter diesen Umständen.
    Vielleicht war ihm bewusst, was sie tat, und er erkannte seine eigene Verletzlichkeit, denn ihm schien plötzlich die Anwesenheit der anderen Lounge-Besucher und der beiden Barkeeper bewusst zu werden.
    Er kramte sein Portemonnaie hervor, warf ein paar Scheine neben sein leeres Glas auf der Bar und stakste hinaus.
    Pearl setzte ihren Weg zur Damentoilette fort.
    Als sie zehn Minuten später wieder herauskam, ruhig, aber immer noch wütend, war Egan nirgends zu sehen.
    Als sie durch die Bar in Richtung Lobby eilte, hörte sie Applaus.
    Die Verabredung war katastrophal. Pearl konnte nicht aufhören, an Egan und das, was geschehen war, an das, was sie getan hatte, zu denken. Sie konnte nicht aufhören, sich selbst und Egan Vorwürfe zu machen.
    Wut, Depression, Druck. Das war Pearls Welt.
    Die Tage vergingen, ohne dass die Welt über Pearl zusammenbrach. Doch die Geschichte hatte ihre Kreise gezogen, wie ein unterirdischer Strom.
    Dennoch hatte es keine Repressalien gegeben. Egan war verheiratet. Es gab Zeugen für seine Auseinandersetzung mit Pearl. Er war betrunken gestürzt, während sie nüchtern gewesen war. Die Dienstaufsichtsbehörde wurde nicht eingeschaltet. Es wurde nie offiziell Beschwerde eingereicht. NYPD -Politik in ihrer schönsten Form.
    Genau wie alle anderen wusste sie, dass Egan geduldig auf seine Chance wartete. Pearl glaubte nicht, dass sie eine lange oder glorreiche Karriere im NYPD vor sich hatte.
    »Verdammt!«, sagte sie zur Decke ihres Schlafzimmers und versuchte, an etwas anderes zu denken. Ihre Gedanken fuhren Karussell, und sie konnte es einfach nicht anhalten. Vielleicht sollte sie aufstehen und streichen.
    Genau, um halb zwölf nachts.
    Es war eines der wenigen Male, dass Pearl sich wünschte, es gäbe noch etwas anderes in ihrem Leben als ihre Arbeit. Aber sie hatte einige katastrophale Beziehungen hinter sich und jegliches Vertrauen in Männer verloren. Zumindest in die meisten Männer. Nein, in alle Männer. In das ganze beschissene Geschlecht. Für sie schien keiner dabei zu sein.
    Da er ihr Partner war, war Fedderman der Mann, mit dem sie am meisten Zeit verbrachte. Ein anständiger Kerl, verheiratet, drei Kinder, übergewichtig, überdesodoriert, achtzehn Jahre älter als Pearl und mehr interessiert an Pasta als an Sex.
    Da war nichts zu holen.
    Die anderen Männer in ihrem Leben, die anderen Officers und Männer, die ihr bei der Arbeit begegneten, probierten manchmal ihr Glück bei ihr. Aber keiner von ihnen interessierte sie. Diese Typen waren mehr an Sex als an Pasta oder sonst irgendwas interessiert. Sie alle redeten viel, aber es war eben nur Geschwätz. Die wenigen Typen, denen Sie eine Chance gegeben hatte, waren ihr in keinerlei Hinsicht gewachsen, und die meisten ergriffen gleich am Anfang die Flucht. Pearl mochte das nicht. Sie verschwendete keine Energie auf sie. Wenn es um das ging, was wirklich

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