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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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arbeitete zu ungewöhnlichen Zeiten.
    Es konnte nicht schaden, mit ihm zu reden und sich seine Geschichte anzuhören. Sie war nicht hier, um bewegungslos in der feuchtwarmen Nacht herumzusitzen wie ein menschlicher Pilz.
    Außerdem war irgendetwas merkwürdig an der Art, wie der Mann ging – mit einer gewollten Lässigkeit, die Schultern leicht nach vorn gebeugt, immer wieder einen Blick nach links oder rechts werfend.
    Pearl spürte, dass sie immer mehr das Gefühl hatte, dass der Mann sich benahm, als habe er etwas zu verbergen, wie er in seiner dunklen Hose, dem dunklen Hemd und seiner schwarzen oder blauen, tief ins Gesicht gezogenen Baseballkappe dahinschlich.
    Schlich?
    Ja, schlich.
    Als er die Straßenecke fast erreicht hatte, startete sie den Motor.
    Doch als sie mit dem Fuß aufs Gaspedal drückte, stimmte etwas nicht. Sie spürte einen Widerstand. Der Wagen machte einen Satz nach vorn, und das rechte Vorderrad schrammte am Bordstein entlang. Das Lenkrad sprang ihr aus der Hand und drehte sich so heftig, dass ihr Daumen nach hinten gebogen wurde.
    Der Motor erstarb.
    Pearl machte eine Verrenkung und griff nach unten. Ihre Finger fanden den Styroporbecher, der auf den Boden gefallen war und sich unter dem Gaspedal verklemmt hatte.
    Angeekelt warf die den leeren Becher zur Seite und startete den Motor erneut. Das Vorderrad sprang auf den Bordstein, dann hüpfte es wieder zurück in den Rinnstein, und sie lenkte den Wagen auf die Straße.
    Doch als sie an der Kreuzung ankam, war der dunkle Mann nirgends zu sehen.
    Sie wackelte ein paar Mal mit ihrem schmerzenden Daumen um sicherzugehen, dass er nicht ernsthaft verletzt war, dann gab sie Gas und drehte eine schnelle Runde um den Block.
    Der Mann blieb verschwunden.
    Pearl verlangsamte das Tempo und zog ihr Handy aus der Tasche, um Claire aufzuwecken.
    Das hoffte sie zumindest.

62
    Pearl wusste, dass ein Telefon auf dem Nachttisch neben Claires Bett stand. Wenn sie den Ton nicht ausgeschaltet hatte, müsste es direkt in ihrem Ohr klingeln.
    Es tutete vier Mal, bis abgenommen wurde.
    »Claire?«, fragte Pearl.
    »Wer ist da?« Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang schwach und verängstigt.
    »Detective Kasner. Ich glaube nicht, dass es etwas gibt, worüber wir uns Sorgen machen müssten, aber ich würde gern zu Ihnen hochkommen.«
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja. Ich erkläre es Ihnen, wenn ich da bin. Wenn ich klopfe, schauen sie durch den Spion und ich zeige Ihnen meine Marke. Schauen Sie immer erst durch den Spion, wenn es klopft, so wie wir es Ihnen gesagt haben.«
    »Das klingt gruselig. Sind Sie sicher, dass da nicht etwas vor sich geht?«
    »Ja. Ich bin in fünf Minuten bei Ihnen.«
    Nachdem sie aufgelegt hatte, rief sie Quinn auf seinem Handy an.
    Ihre Unterhaltung dauerte genau so lange, wie sie brauchte, um den Wagen vor Claires Haus zu parken.
    Claire benutzte den Schlüssel, den Claire ihnen gegeben hatte, damit sie nicht klingeln mussten, und betrat das Gebäude. Sie durchquerte die verwaiste Lobby und drückte auf den Knopf am Aufzug. Der Aufzug befand sich bereits im Erdgeschoss und öffnete sich sofort. Der Mann, der aus dem Gebäude gekommen war, musste mit ihm nach unten gefahren sein.
    Pearl fuhr hinauf ins neunundzwanzigste Stockwerk. Es dauerte länger, als ihr lieb war. Rasch ging sie den Korridor hinunter zu Claires Wohnung und klopfte drei Mal.
    Das Licht im Spion verdunkelte sich fast augenblicklich, und Pearl hob ihre Marke hoch.
    Das Schloss klackte, die Kette rasselte, dann öffnete sich die Tür.
    Claire trug einen blauen Morgenmantel und Pantoffeln. Ihre Augen waren verquollen und ihr Haar zerzaust, aber sie wirkte hellwach, als sie zur Seite trat, um Pearl hineinzulassen. Vor allem aber wirkte sie verängstigt.
    Pearl betrachtete sie kurz. Hübsch, selbst wenn man sie um drei Uhr morgens aus dem Bett wirft, aber nicht so hübsch. Vielleicht hätte ich auch Broadway-Star werden können.
    »Was ist los, Detective Kasner?«
    »Nennen Sie mich Pearl. Und wahrscheinlich ist gar nichts los. Ich habe beobachtet, wie ein dunkel gekleideter Mann vor einer Weile das Haus verlassen hat, und er hat sich etwas merkwürdig verhalten. Als ich versucht habe, ihn mit dem Auto einzuholen, war er verschwunden. Ich wollte nur sehen, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist.«
    »Ich bin erst aufgewacht, als das Telefon geklingelt hat. Und die Kette war immer noch vorgelegt, als sie geklopft haben.«
    »Es gibt viele Möglichkeiten, eine Kette auf dem

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