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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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typisch war für sie. Er seufzte, und Quinn, sah wie es im Kopf seines ehemaligen Partners arbeitete.
    Quinn wusste, dass es sinnlos war, Fedderman zu erzählen, dass er die Nacht auf Pearls Sofa verbracht hatte und nichts zwischen ihnen gelaufen war. Fedderman würde eh glauben, was er wollte, aber er würde nichts dazu sagen.
    Fedderman hielt die Zeitung hoch. »Das solltet ihr unbedingt lesen.«
    »Hat die Presse uns wieder eine Tracht Prügel erteilt?«
    »In erster Linie dir. Da drin steht ein Interview mit Anna Caruso.«
    Quinn schlug die Zeitung auf und erblickte das Foto einer hübschen jungen Frau mit dunklen Haaren und düsteren Augen. Kein Kind. Niemand, an den er sich erinnerte.
    Doch da war ihr Name unter dem Foto, und da war die alte Anklage in ihren Augen.
    In dem Interview erzählte sie von ihrer Vergewaltigung durch Quinn, dann sprach sie über ihr jetziges Leben und darüber, wie sie es geschafft hatte, das schreckliche Erlebnis zu verarbeiten. Oder gedacht hatte, es verarbeitet zu haben. Jetzt war es wieder da, weil Quinn eine zweite Chance bekam. Eine Chance, die er nicht verdiente. Keiner hatte auch nur einen Tag im Gefängnis verbracht für das, was ihr angetan worden war, und diese Ungerechtigkeit verfolgte sie noch immer. Es gefiel ihr nicht, aber sie konnte damit leben, sagte sie ihrem Interviewpartner. Ihr Vater war kürzlich gestorben, und sie konzentrierte sich darauf, das zu verarbeiten und mit ihrer Musik weiterzumachen. Mit ihrem Leben.
    Sie spielte Bratsche und das hatte einen therapeutischen Effekt. Ihr ging es gut, sagte sie. Die Leute brauchten sich keine Sorgen um sie machen. Die Leute hatten Besseres zu tun. Sie hatte Besseres zu tun.
    Zwischen den Zeilen brannte Hass.

22
    Donald war verreist und würde erst am nächsten Abend zurückkommen. Nachdem sie in einem Café namens Un Deux Trois zu Mittag gegessen hatte, erinnerte sie sich daran, dass sie einigermaßen reich war, und nahm ein Taxi statt der U-Bahn, um zu ihrer Wohnung in der West End Avenue zu gelangen. Sie musste ein paar Dinge abmessen und noch einmal darüber nachdenken, was sie mit dem Fenster im Schlafzimmer machen sollten. Nichts durfte die herrliche Aussicht stören.
    Als sie die Tür aufschloss, fiel ihr Blick sofort auf den Strauß gelber Rosen. Die Blumen standen in einer durchsichtigen Glasvase auf einem Klappstuhl aus Metall, der das einzige Möbelstück im Raum war.
    Mary ging zu dem Strauß und sah, dass eine Karte mit einem grünen Band daran befestigt war. Doch als sie die Karte behutsam zwischen den Dornen hervorgezogen hatte, um sie zu lesen, musste sie feststellen, dass sie leer war.
    Sie suchte nach anderen Zeichen an den Blumen oder der runden Vase, aber sie fand nichts, was darauf hinwies, wer die Blumen geschickt oder geliefert hatte.
    Doch Mary wusste, von wem sie stammten. Donald. Er hatte sie per Telefon bestellt, damit sie den Strauß vorfand, wenn sie in die Wohnung kam. Er wusste, dass sie heute kommen würde und an jedem anderen Tag, bis sie eingezogen waren.
    Das war typisch für ihn; er war immer so aufmerksam.
    Dennoch war es seltsam, dass er keine Nachricht in die Karte hatte schreiben lassen. Aber vielleicht dachte er, die leere Karte würde die Überraschung spannender machen.
    Er kannte sie so gut.
    Mary liebte Überraschungen.
    »Es scheint nicht wirklich ein Muster bei den Morden zu geben«, meinte Pearl. Sie steuerte den Dienstwagen, Fedderman saß neben ihr, und Quinn hatte es sich auf der Rückbank bequem gemacht.
    »Nur, dass sie in der Küche stattgefunden haben«, meinte Fedderman, »und dass es Dinge gab, Essen und so, die anscheinend nicht dorthin gehörten.«
    »Marcy Graham und ihr Mann wurden im Schlafzimmer ermordet«, erinnerte ihn Pearl. Sie bog ohne Vorwarnung links ab und schnitt dabei einen Lieferwagen, was der Fahrer mit einem wütenden Hupen quittierte. »Leck mich«, sagte sie abwesend, während sie geschickt einem Schlagloch auswich. Am Bordstein stapelte sich Müll, der darauf wartete, abgeholt zu werden, und ein widerlicher Geruch waberte durch die Lüftung des Wagens ins Innere. Keiner der Insassen verlor ein Wort über den Gestank; sie waren an die Morgen in New York gewöhnt.
    Sie befanden sich auf dem Weg zur Wohnung der Grahams, um sich den Tatort noch einmal anzusehen und vielleicht etwas zu finden, was sie zuvor übersehen hatten. Im Moment konnten sie nicht mehr tun, als das bereits erforschte Territorium noch einmal zu erkunden, in der Hoffnung,

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