Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
Vom Netzwerk:
wollte nur ihr Bestes.
    Glück, was die Liebe und was das Geld anbetraf, weil sie die richtigen Eltern, den richtigen Ehemann hatte und zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war. So war das Leben, und was immer passierte, man musste das Beste daraus machen, weil sich das Blatt genauso schnell auch wieder wenden konnte.
    Die Gegensprechanlage schnarrte und schreckte sie auf. Mary ging quer durch den Raum und drückte auf den Knopf.
    Der Dekorateur war unten, pünktlich auf die Minute. Sie ließ ihn rein.
    Sie würden die Kosten durchsprechen und Pläne für die Wohnung machen. Mary würde seinen Vorschlägen aufmerksam zuhören, darüber nachdenken und ihm dann sagen, was ihr am besten gefiel.
    Zum ersten Mal in ihrem Leben wusste sie genau, was sie wollte.
    Es war zehn Uhr abends, und der Night Prowler spazierte den Broadway entlang, wobei er jeden ignorierte, der ihm entgegenkam. Er nahm nicht gerne Blickkontakt zu Passanten auf; er wollte verhindern, dass auch nur der Hauch einer Verbindung, einer Beziehung zustande kam. Er war Herr über sein Leben und seine Zeit und suchte sich seine Beziehungen sehr sorgfältig aus. Jede Art von Beziehungen. In dieser Hinsicht war er äußerst wählerisch.
    Er blieb stehen und blickte über die Straße, wo eine rote Leuchtreklame ihren hellen Schimmer über die Gäste eines Straßencafés ausgoss und den Frauen leuchtendes Haar und teuflische Gesichtszüge verlieh. Die Frauen warfen lachend ihre Köpfe in den Nacken, tauchten anmutig Löffel in ihre Suppenteller, lehnten sich lächelnd in ihren Stühlen zurück, hoben aufgespießtes Fleisch oder Salat an ihre Lippen und führten intensive Gespräche über ihrem Kaffee oder Nachtisch. Selbst auf die Entfernung glänzte ihr Schmuck wie heller Spott auf ihrer weichen Haut. Die Männer, die den Frauen gegenübersaßen, beugten sich zu ihnen, angezogen von dem zeitlosen Etwas, das schon unsere Reptilienvorfahren angezogen hatte und noch immer in uns lebte.
    Narren mit ihren Närrinnen!
    Ein Kellner trat aus dem Restaurant, und ein paar Gäste standen von ihrem Tisch auf, um zu gehen. Ein ahnungsloser Radfahrer strampelte vorbei wie ein arroganter Eindringling. Das Bild war zerstört und wurde Teil der Vergangenheit, der Erinnerung.
    Fast nichts auf der Welt war perfekt. Wer wusste das besser als er? Doch wenn erst einmal Absprachen und Entscheidungen getroffen waren, Pläne gemacht und in die Tat umgesetzt – dann konnte es perfekte Momente geben. Ungleichgewichte im Kosmos konnten sich verlagern, Maßstäbe neu gesetzt, Objekte und Farben in einen scharfen Fokus gerückt werden. Farben konnten fühlbar und hörbar werden wie Musik. Wie Musik!
    So viel schöner als das graue Brummen, dieser Malstrom aus sämtlichen Farben, der Verlust jeglicher Ordnung und Kontrolle.
    Das Universum würde sich zusammenziehen und so lange Druck ausüben, bis etwas in Bewegung gesetzt wurde. Unter der glatten Haut, Knochen, weiß gebleicht und wunderschön, ohne jede Farbe.
    Dann würde sich das Kaleidoskop drehen und neue Muster, Formen und Farben zaubern, neue Hoffnung schenken. In ihm wäre es endlich still, zumindest beinahe. Es gäbe ein neues Geheimnis, selbst wenn das alte Verlangen überlebte.
    Das Verlangen war unsterblich, denn Liebe, Hass und Verrat änderten sich nie, zumindest nicht von sich aus.
    Sie mussten verändert werden .
    Im hellen Schein einer Kreuzung blickte der Night Prowler hinab auf den Namen, den er fünf Mal mit einem roten Tintenroller auf die Innenseite seines Handgelenks geschrieben hatte, an die Stelle, wo sein Blut pulsierte und sichtbar durch eine blaue Landkarte des Schicksals strömte.
    Mary Navarre.
    *
    »Geht es dir heute besser?«, fragte Fedderman am nächsten Morgen, als er zu Quinn und Pearl trat, die auf der Bank am Parkeingang an der Eighty-Sixth Street saßen. Wie üblich trug er einen ausgebeulten braunen Anzug und hatte eine zusammengefaltete Ausgabe der Newsday unter den rechten Arm geklemmt.
    »Immer noch ein bisschen wacklig«, antwortete Quinn. »Haben du und Drucker gestern etwas herausgefunden?«
    »Nicht wirklich. Das übliche Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen . In New York kann das nächste Gebäude schon eine andere Welt sein.« Er betrachtete Quinn genauer. »Hast du in deinen Klamotten geschlafen?«
    »Ja. Diese Erkältungsmittel für die Nacht hauen einen ganz schön um.«
    Fedderman warf Pearl einen Blick zu, die seit seiner Ankunft kein einziges Wort gesagt hatte. Was gar nicht

Weitere Kostenlose Bücher