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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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Wenn Milford unten etwas hören sollte, würde er denken, es wäre Cara, die oben umherging, oder einfach das alte Haus, das wie ein alter Mensch regelmäßig stöhnte und ächzte, um auf sein Alter hinzuweisen.
    Als er den nicht renovierten zweiten Stock erreichte, entspannte sich Luther. Milford und Cara planten, auch hier die Räume zu streichen und zu möblieren, aber bisher waren sie noch nicht dazu gekommen, das Projekt in Angriff zu nehmen, und beide wussten, dass sie es vielleicht auch nie tun würden.
    Luther bewegte sich nun freier und ging zum Ende des Flurs, wo ein Seil mit einem Knoten von der Decke hing, als ob es darauf wartete, dass ein Henker eine Schlinge band. Er stellte seine Schuhe kurz ab und zog an dem Seil. Eine Leiter klappte aus der Öffnung zum Dachboden.
    Luther hob seine Schuhe auf, kletterte die Leiter hinauf und zog sie mit einem geübten Griff nach oben.
    Er befand sich jetzt auf dem dämmrigen Dachboden, ohne dass unten irgendetwas auf seine Anwesenheit hindeutete.
    Cara hatte ihm ein Feldbett und einen Schlafsack gegeben und ihm sogar eine Kochplatte besorgt, falls er das Essen, das sie ihm gab, aufwärmen musste. Er hatte Bücher, die meisten von ihnen über Malen und Innenausstattung, die er im Schein einer der nackten Glühbirnen las, die an ihren Kabeln von den Dachsparren hingen. Eine der Glühbirnen hatte er herausschraubt und sie durch einen Steckdoseneinsatz ersetzt. Ein Verlängerungskabel versorgte die Kochplatte und einen altertümlichen, aber geräuscharmen Ventilator mit Strom. Wenn er nachts las, hängte er die Decke, die er in zwei Teile geschnitten hatte, über die Lüftungsschlitze an beiden Enden des Dachbodens, damit kein Licht nach außen drang. Dann wurde es unangenehm warm, und er lag nackt auf seinem Schlafsack.
    Wenn es zu unangenehm wurde, stieg er die hintere Treppe zum Hauptteil des Hauses hinunter. Milford war kein Grund zur Sorge; er trank auch einen Scotch, bevor er zu Bett ging, und schlief tief und fest.
    Manchmal hatten Luther und Cara in den frühen Morgenstunden Sex, während ihr Mann oben schlummerte oder, wenn sie auf dem Dachboden waren, unter ihnen schnarchte. Meistens schliefen sie aber am Morgen oder am Nachmittag miteinander, wenn Milford in seinem Büro in der Mine war und Luther sich frei im Haus bewegen konnte. Sie konnten sich hemmungsloser lieben, wenn sie nicht fürchten mussten, Milford damit aufzuwecken.
    Manchmal schlich Luther sich vom Dachboden hinunter und schlüpfte ins Schlafzimmer der beiden. Dann beobachtete er sie beim Schlafen und fragte sich, wie es sich anfühlen würde, wenn er Milford wäre, wenn er ein angesehener Bürger Hirams wäre und Cara und das Haus ganz und gar ihm gehören würden.
    Vielleicht spielte es keine Rolle, sagte er sich. Er war zufrieden, wie die Dinge standen, mit seinem geheimen Leben in seinem gemütlichen Nest auf dem Dachboden. Es war fast, als wäre er Caras Haustier, das unter ihrem Schutz stand. Einmal hatte sie ihm erzählt, dass es ein wunderbarer Nervenkitzel für sie war zu wissen, dass er sich auf dem Dachboden befand, während sie und Milford ihr langweiliges Leben unten führten oder Milford mit ihr schlief.
    In gewisser Hinsicht, dachte Luther, hatten sich die Dinge ganz gut entwickelt. Jeder hatte, was er wollte. Jeder war … zufrieden, was so ziemlich das Höchste war, das man in dieser harten Welt vom Leben verlangen konnte.
    Nachts verließ Luther den Dachboden also nur heimlich und nicht sehr oft. Manchmal ging er tagsüber aus das Haus, wobei er darauf achtete, dass niemand ihn kommen oder gehen sah. In letzter Zeit war er aber nicht nach draußen gegangen; es bestand immer die Gefahr, dass er Aufmerksamkeit erregte, dass jemand ihn erkannte und fragte, wo er zurzeit wohnte und war er tat.
    Die kurzen Zeiten in der Sonne und an der frischen Luft waren das Risiko nicht wert, wenn man bedachte, dass alles, was er brauchte, hier war, in dem alten Haus, das er als sein Heim betrachtete. Morgens, wenn Milford gegangen war, duschte er und putzte sich die Zähne im unteren Badezimmer. Cara wusch seine Sachen separat und trocknete sie während des Tages, um zu verhindern, dass Milford Kleider entdeckte, die er nicht kannte. Luther hatte einen Krug mit Trinkwasser auf dem Dachboden und einen Nachttopf für den Fall, dass er es nicht bis zum Morgen aushielt.
    Die schönste Zeit des Tages war aber, wenn Milford zur Arbeit gegangen war und die beiden für sich alleine waren. Manchmal kam

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