Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
Vom Netzwerk:
  … Das ganze Dorf wird da sein. Alle werden über Abigail reden. Und rumschnüffeln, das Haus sehen wollen, wo sie gelebt hat   …»
    «Wenn es ganz schrecklich ist, können wir jederzeit wieder nach Hause. Oder auf ein Bier in den Pub. Da wird dann zumindest nicht viel los sein.»
    Er fragte sich, weshalb er sich solche Mühe gab, sie zu überreden, und merkte, dass er Mantel jetzt um jeden Preis wiedersehen wollte. Die Neugier hatte ihn gepackt, und er wollte sehen, ob die Tragödie um den Tod seiner Tochter den Bauunternehmer irgendwie verändert hatte. Wie konnte er jetzt, am Jahrestag ihres Todes, sein Haus für eine Feier öffnen, mochte der Zweck auch noch so gut sein?
    «Dann findest du also, dass Dad recht hat? Du betrachtest diesen Abend als Therapie?» Ihre Stimme klang verbittert. «Wenn das so ist, dann ist es ja wirklich schade, dass Chris nicht hiergeblieben ist, um auch was davon zu haben.»
    James zog sie an sich. Er spürte, dass er seinen Willen bekommen würde. «Ich will nicht, dass du irgendwas machst, womit du dich nicht wohl fühlst. Ich will dich nicht unter Druck setzen.»
    «Es ist nun mal passiert», sagte sie. «Es war schrecklich, aber es ist nun mal passiert. Im wirklichen Leben. Vielleicht hat mein Vater ja recht, und es wird Zeit, dass ich darüber hinwegkomme.»
    ***
    Robert holte sie ab und nahm sie mit zur Alten Kapelle, obwohl James ihm gesagt hatte, dass er Bereitschaftsdienst habe und ohnehin nicht viel trinken werde. Es kam ihm vor, als behandelte Robert Emma wie eine Kranke. Er fragte sie, ob ihr Mantel warm genug sei, hielt ihr die Autotür auf und wartete, bis sie neben Mary auf den Rücksitz geglitten war, ehe er die Tür zumachte. Auf den Karten, die er ihnen gegeben hatte, stand
Haus der offenen Türen
, doch als sie ankamen, sahen sie, dass nur wenige Türen der Alten Kapelle tatsächlich geöffnet waren. Sie parkten hinter einer Reihe Autos auf der schmalen Zufahrt, dann führte sie ein Junge, in dem James den Sohn eines der Rettungsbootmänner erkannte, zur Rückseite des Anwesens. Der Junge war grinsend aus dem Nebel aufgetaucht, er hatte gelbes Ölzeug an und schwenkte eine Fackel wie ein Geschöpf aus einem Horrorfilm für Teenager. Es war kälter geworden, die niedrighängenden Wolken waren stellenweise aufgerissen, sodass Sterne hindurchschimmerten. Von den Bäumen tropfte es immer noch, aber der Regen hatte aufgehört. Später würde es vielleicht sogar frieren. James hatte den Seewetterbericht gehört, in dem ein Hochdruckgebiet erwähnt wurde, eine Kaltfront, die von Osten heranzog.
    «Ich hätte gedacht, die Zeitungsleute wären da», sagte Robert. «Wo ich gestern auch hingegangen bin, überall standen die herum. Beängstigend. Aber vielleicht ist es zukalt, um den Leuten vor der Haustür aufzulauern. Oder der Mantel-Fall ist mittlerweile schon nicht mehr interessant. Auf jeden Fall ist es eine Erleichterung.»
    James hielt es für wahrscheinlicher, dass Mantel den Reportern dringend abgeraten hatte zu kommen. Er besaß die Macht dazu.
    Auf einer vom Garten durch einen niedrigen Zaun abgetrennten Koppel war Holz für ein Lagerfeuer aufgeschichtet worden. Es brannte noch nicht, aber ein Grüppchen schemenhafter Gestalten stand davor, betrachtete es und schien zu diskutieren, wann der rechte Moment sei, es anzuzünden.
    Emma folgte James’ Blick. «Abigail hatte dort ein Pony», sagte sie. Sie stand dicht neben ihm. Mary und Robert waren bereits von Leuten aus der Kirche angesprochen worden. «Aber das war noch bevor wir hierherzogen. Als ich sie kennenlernte, fand sie, dass sie aus dem Alter für Ponys raus war. Aber sie hat immer noch davon gesprochen. Es hieß Magic. Das da war der Stall.»
    Der Stall, der an einer Seite offen stand und aus dem man die Boxen entfernt hatte, war in eine Art Feldküche verwandelt worden. Aus aufeinandergelegten Bimssteinen und langen Eisenrosten hatte man ein paar Grills gebaut. Die Holzkohle glühte und zischte, wenn das Fett von den Würstchen tropfte, und die Funken erhellten die Gesichter der kräftigen, biertrinkenden Männer, die die Burger wendeten.
    «Geht’s dir gut?», fragte James.
    Sie griff nach seiner Hand, und er lächelte in der Dunkelheit.
    Die Bar war im großen Wintergarten, der an der Rückseite des Hauses lag, und dahinter konnten sie in ein Zimmer sehen, an dessen Wänden Tische standen. Ein paar ältereLeute hatten sich vor der Kälte dort hineingeflüchtet. Der Rest der Alten Kapelle lag im

Weitere Kostenlose Bücher