Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
Vom Netzwerk:
übergeben. Mehr die Anspannung als der Alkohol, sagt er.»
    «Hatte sie Erfahrung?»
    «Mehr Erfahrung als er, aber das heißt nicht viel.»
    Vera versuchte, sich die Szene vorzustellen. Sie wünschte, sie wäre bei der Befragung dabei gewesen. Sie hätte gern gewusst, wie das Wetter gewesen war, wo sie gesessen hatten, als sie den Wein tranken, welche Musik sie gehört hatten. «Wie sind sie von der Schule zu ihr gekommen?»
    «Mit dem Mittagsbus ins Dorf und dann zu Fuß weiter.»
    «Hat sie das öfter gemacht, die Schule geschwänzt?»
    «Er sagt, er hätte den Eindruck gehabt, dass es nicht das erste Mal war. Aber sie hat vielleicht nur angegeben.»
    «Wie ist es möglich, dass Emma Bennett nichts davon wusste?» Vera sprach mehr zu sich selbst. «Sie muss doch gemerkt haben, dass Abigail die Schule schwänzte. Außer Abigail hat sie angelogen und eine glaubhafte Erklärung für ihr Fehlen geliefert. Oder Emma hat uns angelogen.»Sie teilte den Rest Tee aus der Kanne zwischen ihnen beiden auf. «Was meinen Sie?»
    Aber Ashworth hatte nicht zugehört. «Da ist noch was», sagte er.
    Etwas in seiner Stimme ließ sie abrupt aufblicken. «Spu cken Sie’s aus, Mann.»
    «Lineham hat danach kalte Füße bekommen. Vielleicht entsprach die   …», er suchte angestrengt nach einem passenden Wort, «…   die Begegnung nicht seinen Erwartungen. Oder er hatte solche Angst vor seinem Vater, dass er kein zweites nachmittägliches Rumgefummel mit dem Mädchen riskieren wollte, egal wie toll es war. Jedenfalls hat er ihr gesagt, dass es das gewesen wäre. Er wollte nicht, dass es nochmal passiert. Zumindest nicht, bis sie sechzehn wäre und er seinen Schulabschluss hätte.»
    «Na, das wird ihr nicht gefallen haben», sagte Vera. «Ei nem so verwöhnten Mädchen wie Abigail.»
    «Aber Lineham sagt, dass es ihr auf eine komische Art doch gefallen hat. Für sie war es eine Herausforderung, ein Spiel.»
    Aha, dachte Vera. So hat sie sich also ihren Kick geholt.
    Ashworth fuhr fort: «Wenn er weiter mitgemacht hätte, hätte sie wahrscheinlich das Interesse verloren, aber so hatte sie einen Grund, um ihn fertigzumachen.»
    «Wie denn?»
    «Sie hat gesagt, er hätte kein Recht, sie so zu behandeln. Wenn er ihr nicht versprechen würde, mehr Zeit mit ihr zu verbringen, würde sie zu seinem Vater gehen und ihm alles erzählen. Aber sie würde alles auf Lineham schieben. Sagen, dass er sie betrunken gemacht und dann verführt hätte.»
    «Der kleine Unschuldsengel», sagte Vera. «Wurde sie damals nicht in den Schlagzeilen so genannt?»
    «Der Kleinen können Sie wirklich keine Schuld geben», sagte Ashworth. «Fünfzehn Jahre alt und keine Mutter, die dafür sorgt, dass sie auf dem rechten Weg bleibt. Der Kerl hätte ja nicht mit ihr ins Bett hüpfen müssen.»
    Vera sagte nichts. Vielleicht hatte Ashworth ja recht. Und vielleicht hatte sie auch Caroline falsch eingeschätzt, und sie war so verletzlich, wie Greenwood behauptete. Aber eher glaubte Vera, dass das Hirn dieser Männer zu einer Walnuss geschrumpft war. Sie konnten einfach nicht mehr klar denken. Angesichts einer schönen Frau verloren sie alle den Verstand. Mit einem Ruck brach sie ihre Überlegungen ab. Was dachte sie denn da? Dass das Mädchen es verdient hatte, an einem kalten Nachmittag im November am Rand eines windgepeitschten Feldes auf schreckliche Weise ums Leben zu kommen? Dass es darum gebeten hatte? Das war ja ungefähr das, was Jeanie in ihrer Zelle gedacht hatte, und sie war kein Deut besser.
    «Was ist dann passiert?», fragte sie. «Hat Lineham sie auffliegen lassen?»
    «Das brauchte er nicht. In der darauffolgenden Woche wurde sie umgebracht.»
    «Großer Gott», sagte Vera. «Noch ein Verdächtiger.»
    «Nein. Er war das ganze Wochenende mit seiner Familie in Sunderland. Zur Beerdigung seiner Großmutter. Das prüfe ich natürlich noch nach, aber ich bin mir sicher, dass er die Wahrheit sagt.»
    «Abigail hat also jemanden erpresst, um ihr Leben ein bisschen aufregender zu machen», sagte Vera. Sie sah die Frau aus dem Laden mit Wischmopp und Eimer in der Tür stehen und erhob sich, um zu zeigen, dass sie fertig waren. «Was glauben Sie, was hat sie sonst noch angetörnt?»

Kapitel achtundzwanzig
    Vera konnte sich Jeanie und Mantel nur schwer als Paar vorstellen. Michael Long hatte ihr zwar geschildert, wie die beiden sich begegnet waren, aber er hatte es von Anfang an missbilligt und sich nie die Mühe gemacht, es zu verstehen. Der

Weitere Kostenlose Bücher