Opfertod
würde.
»Sie machen das sehr, sehr gut, Frau Wagenbach«, redete Lena behutsam auf sie ein, erhob sich von ihrem Stuhl und tupfte ihr mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
»Und dann diese Schmerzen«, setzte Wagenbach schluchzend hinzu, »diese entsetzlichen Schmerzen!« Lena blickte irritiert von ihren Notizen auf. Kurz meinte sie, sich verhört zu haben. »Moment, nach dieser Injektion sind Sie nicht bewusstlos gewesen, sondern waren die ganze Zeit wach?«
Langsam, ganz langsam hob die junge Frau den Blick. »Ja.« Die Tränen strömten jetzt nur so aus ihr heraus. Ich trug so eine … eine Maske, ich glaube, es war eine Sauerstoffmaske … Und ich … ich konnte alles spüren, mich aber trotzdem kein Stück bewegen.«
Lena starrte sie fassungslos an und brauchte eine Weile, um das soeben Gehörte zu verarbeiten, als es ihr allmählich dämmerte: Er hat ihr Alcuroniumchlorid gespritzt – dieser gottverdammte Sadist!
7
»Und was ist danach passiert?«, fragte Lena nach einer längeren Pause mit belegter Stimme.
»Ich … ich weiß es nicht … ich muss das Bewusstsein verloren haben …« Lena sah, wie sie einen Moment angestrengt nachdachte.
»Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, bis ich wieder zu mir gekommen bin, aber es kam mir vor wie eine Ewigkeit«, brachte sie flüsternd hervor, während sich ihre rotgeränderten Augen erneut mit Tränen füllten. »Ich lag auf dem Boden in einem fensterlosen Raum … ich glaube, es war ein Keller.«
»Frau Wagenbach, ich kann mir vorstellen, dass das furchtbar schwer für Sie sein muss, aber bitte versuchen Sie, mir diesen Kellerraum zu beschreiben.«
Die junge Frau sah sie aus angstgeweiteten Augen an und schluckte, bevor sie sagte: »Diese schrecklichen Schmerzen … ich konnte … konnte kaum etwas anderes wahrnehmen … außer …« Sie brach ab.
»Außer?«, fragte Lena.
»Überall war das Summen von Insekten zu hören. Dicke Fliegen krabbelten über eine rote Lache auf dem Boden … An den Wänden hingen überall diese Fotos …«
»Fotos?«
Als Lena sah, dass die junge Frau Mühe hatte, ihre Augen weiterhin offen zu halten, war ihr klar, dass sie sich beeilen musste. »Was für Fotos, Frau Wagenbach?«, wiederholte Lena die Frage.
Christine Wagenbach dachte angestrengt nach. »Ich … ich bin mir nicht sicher, aber ich meine, es waren Frauen … die ich irgendwo schon einmal gesehen hatte …«
Die Frauen, die er bereits verstümmelt hat! , schoss es Lena durch den Kopf. Sie machte eine Notiz und sah wieder auf. Wagenbach schüttelte mitfühlend den Kopf, als habe sie noch immer nicht begriffen, selbst Teil dieses Grauens geworden zu sein.
»… und ich meine, auf allen Bildern ein … ein rotes Kreuz gesehen zu haben.«
Er kreuzt sie durch, sobald er sie getötet hat , notierte Lena.
»Weiter hinten waren noch mehr Fotos.«
Lenas Brauen fuhren überrascht in die Höhe. »Was für Fotos?«
Wagenbach presste die Lider aufeinander und öffnete sie wieder. »Noch mehr … Frauen …«, fuhr sie mit schwacher Stimme fort und schüttelte den Kopf, »aber auf diesen Fotos war kein Kreuz zu sehen …«
Entgeistert sah Lena von ihren Notizen auf. Du liebe Güte, er hat seine nächsten Opfer bereits im Visier! Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, um Wagenbach ihr Entsetzen nicht spüren zu lassen. »Und was ist dann passiert?«
»Ich wollte aufstehen, aber vor meinen Augen hat sich alles gedreht, ich war wie … wie auf Droge. Und dann … dann habe ich den … den Ärmel meines Sweatshirts abgerissen und mir damit notdürftig die Wunde verbunden.« Sie sah auf. »Die Wunde am … am rechten Unterarm, meine ich.«
Lena starrte ihr ins Gesicht. Sie schien noch immer nicht begriffen zu haben.
»Und dann …«, fuhr sie fort, »… dann habe ich die Zähne zusammengebissen und mich mit letzter Kraft irgendwie mit der Schulter an der Wand hochgestemmt … bin auf die Tür zugestolpert, die einen Spalt offen stand – dieses Dreckschwein hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass ich so schnell wieder zu mir kommen würde …«
Was auch immer er ihr im Anschluss an die OP noch verabreicht hat, er muss es falsch dosiert haben, kam es Lena in den Sinn. Was wiederum dafür sprechen würde, dass er auf dem Gebiet der Anästhesie vielleicht nicht so ein Genie ist, wie er glaubt – oder aber, er beginnt, nachlässig zu werden und Fehler zu machen. »Und was ist dann geschehen?«
»Ich bin an der Tür stehen
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