Opfertod
die Höhe geschnellt – sie stand kurz vor einem Zusammenbruch! Hektisch lief Lena auf den Flur hinaus, um die Stationsschwester zu rufen, da eilte ihr diese mit der Ärztin und den beiden Pflegerinnen bereits entgegen. Die Schwester funkelte Lena wütend an und schob sie schnaubend zur Seite, ehe sie hinter der Oberärztin ins Krankenzimmer stürmte.
»Das, das habe ich nicht gewollt!«, beteuerte Lena.
»Ein Sedativum, schnell!«, drang es noch aus dem Zimmer, bevor die Tür geschlossen wurde.
»Was ist passiert?«, erkundigte sich Rebecca Brandt, die bei Wagenbachs Eltern auf dem Flur gewartet hatte und herbeigeeilt kam. Doch ehe Lena antworten konnte, kam Wagenbachs Mutter auf sie zugerannt und ging auf sie los.
Sie brüllte Lena an: »Was haben Sie getan?«
»Nichts, gar nichts!«, verteidigte sich Lena und streckte ihr abwehrend die Handflächen entgegen.
»Los, komm – lass uns verschwinden«, schlug Brandt vor und zog Lena leicht am Ärmel. Doch Lena blieb keine Zeit zu reagieren.
»Wenn meine Tochter einen Schaden davonträgt, mache ich SIE allein dafür verantwortlich!«, schrie Wagenbachs Mutter und schlug auf sie ein. »Sie Unmensch, lassen Sie uns in Ruhe!«
Lena duckte sich und hielt sich die Hände vor den Kopf. Noch während Rebecca Brandt und der Vater von Christine Wagenbach damit beschäftigt waren, die Frau zurückzuzerren, öffnete sich die Tür zum Krankenzimmer.
»Wir haben Ihrer Tochter ein leichtes Sedativum verabreicht. Sie hat sich vorerst beruhigt«, erklärte die Ärztin, woraufhin Wagenbachs Mutter von Lena abließ und schluchzend zurück in die Arme ihres Mannes sank.
Gott sei Dank , dachte Lena. Sie richtete sich mit glühenden Wangen auf und strich ihren Trenchcoat glatt. Sie war völlig aufgelöst, und während die Eltern von Christine Wagenbach im Krankenzimmer verschwanden, folgte sie Brandt in flottem Tempo zum Aufzug, um zurück ins Präsidium zu fahren. Na bravo, ist ja prima gelaufen! Lena konnte nicht glauben, dass sie es so weit hatte kommen lassen.
»Wenn Blicke töten könnten, wärst du jetzt tot«, zischte Brandt, als sie in den Aufzug stiegen. Nachdem sich die Türen endlich hinter ihnen geschlossen hatten, legte Lena den Kopf in den Nacken und atmete kräftig aus.
»Und?«, fragte Brandt.
Lena blickte sie an, doch sie brauchte noch eine Weile, um sich zu fassen. »Drescher dürfte zufrieden sein«, kam es ihr schließlich widerstrebend über die Lippen.
Brandt nickte. »Ich habe eben kurz mit den Eltern gesprochen. Der Vater hat erzählt, seine Tochter hätte bei der Einlieferung immerzu von einer Musik gesprochen.«
»Musik? Was für eine Musik?«
Brandt hob die Schultern. »Anscheinend lief in diesem Keller eine Oper …«
Lena zog die Brauen zusammen. »Davon hat mir Christine Wagenbach gar nichts erzählt … Wusste ihr Vater, von welcher Oper die Rede war?«
»Leider nicht.«
Nachdenklich schob Lena das Kinn vor, während sie mit den Augen die Stockwerkanzeige verfolgte.
»Aber nun sag schon, wie ist es gelaufen?«, hakte Brandt ungeduldig nach.
»Die gute Nachricht ist: Wagenbach hat ihn gesehen.«
»Das ist ja phantastisch! Und, konnte sie den Typen beschreiben?«
»Nein, noch nicht. Ich schätze, wir müssen ihr noch etwas Zeit geben«, seufzte Lena. »Ich werde es morgen nochmals versuchen.«
Brandt blickte sie fragend an. »Und was ist die schlechte Nachricht?«
»Neben Fotos von den Opfern hat er noch weitere Bilder aufgehängt – aller Wahrscheinlichkeit nach von den Frauen, die er als Nächstes verstümmeln und töten wird.«
»Ach du Scheiße.«
Zustimmend nickte Lena. Dann blickte sie Brandt ernst ins Gesicht. »Außerdem scheinen wir es mit einem Sadisten zu tun zu haben, dessen Perversion und Skrupellosigkeit keine Grenzen kennt.«
»Wie meinst du das?«
»Er spritzt seinen Opfern Alcuroniumchlorid.«
Brandt zuckte mit den Achseln. »Nie gehört.«
Die Türen des Aufzugs öffneten sich im Erdgeschoss.
»Es handelt sich dabei um ein südamerikanisches Pfeilgift, das eine vorübergehende Lähmung der gesamten Muskulatur auslöst. Allerdings wirkt sich dieses Muskelrelaxans nicht auf das Bewusstsein des Patienten aus – doch da selbst die Zunge gelähmt ist, ist es den Opfern unmöglich, zu schreien«, erzählte sie, ehe sie hinaustrat.
Rebecca Brandt blieb eine Sekunde wie angewurzelt im Aufzug zurück, und als Lena sich zu ihr umdrehte, schien ihr jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen. »Willst du damit sagen, die
Weitere Kostenlose Bücher